„Vague de corps“ von Stephanie Felber.

„Vague de corps“ von Stephanie Felber.

Wellen schlagen

Das Performanceprojekt „Vague de corps“ von Stephanie Felber in den Pathos Ateliers in München

Ein aufregendes Experiment, das durch Nähe und Distanz, Befehl, Dominanz und unerwartet liebevolle Gesten menschliche Gruppen- und Machtstrukturen untersucht.

München, 31/07/2017

Man wird hineingequetscht in einen dunklen Raum, der eigentlich ziemlich groß ist. Begrenzt wird er durch ein rot-weißes Absperrband. Das läuft von der Eingangstür in den Raum hinein spitz zu, wie die Front eines Schiffes, und gibt den Bereich vor, in dem man sich aufhalten darf. Den Rest des Raumes darf man nicht betreten und jeder hält sich daran, die Gruppe der Zuschauer bleibt so weit es geht vor dem Ende des Absperrbandes stehen. Dort steht man nun, um Stephanie Felber und ihre Kollegin herum, die vor sich ein großes Pult haben, auf dem zwei Laptops stehen. Lange passiert nichts, man blickt erwartungsvoll in die dunkle Weite des Raumes und auf die spärlich erleuchteten Köpfe um sich herum. Irgendwann bewegen sich einige der Anwesenden, machen Handzeichen und Gesten und zwinkern jemandem zu. Manche stellen sich direkt vor einen oder legen ihren Kopf auf der Schulter eines anderen ab. Eine erste Bewährungsprobe für alle. Lässt man die Nähe zu, regt man sich auf oder geht einfach einen Schritt zur Seite? Wie oft ist man mit Remplern und Unvorsichtigen konfrontiert und kann seinen Unmut gerade noch im Zaum halten?

Doch sind diese Störenfriede hier die fünf Tänzer, – Alexandra Baybutt, Elsa Mourlam, Sonia Borkowicz, Nikolaos Kostantakis und Jonathan Bringert – mit denen Stephanie Felber ihre Performance „vague de corps“ erarbeitet hat. Mithilfe verschiedenster Theorien, Methoden und Systeme haben sie menschliche Gruppen- und Machtstrukturen untersucht. „Choreografie, Raum-, Licht- und Soundgestaltung verschmelzen zu einem multisensitiven Setting, das die Erfahrung verschiedenster Gruppendynamiken ermöglicht.“ Wie schnell sich eine Situation von einem fast militärischen Drill mit Pfeife zu einer Discoperformance ändern kann, lässt sich in „vague de corps“ am Licht ablesen: von gefährlichem Rot, zu stechendem Grün hin zu tanzendem Blau.

In den Pathos Ateliers verschwimmt irgendwann alles und man ist nicht mehr nur der stille Zuschauende, sondern auch Mittäter. Es geht um die Körper an sich und wie sie sich in einem festgelegten Raum in bestimmten Formationen bewegen. Die Performer wollen die Zuschauer mitreißen, sie umreißen, sie dominieren oder ihnen aufhelfen, wenn jemand gefallen ist. Sie wollen mit ihren Körpern menschliche Wellen schlagen.

Dieses Performance-Experiment erinnert ein wenig an die Geschichte von „Die Welle“, einem der meist gelesenen Jugendbücher Deutschlands. Es beruht auf einem amerikanischen Projekt aus den 60er-Jahren, währenddessen in einer Schulklasse Macht- und faschistische Strukturen untersucht wurden. Ein äußerst heikles Thema, welches vor allem in unserer heutigen Gesellschaft von großem Interesse ist. Was macht eine bestimmte Rollenzuschreibung mit einem Menschen, vor allem eine, die Macht beinhaltet? Welche Menschen fügen sich nur allzu bereitwillig in die dadurch entstehenden Strukturen ein, welche überhaupt nicht? Welche werden aggressiv ob ihrer leitenden Funktion, welche um diese zu bekämpfen?

Das alles kann in „vague de corps“ nachvollzogen werden und manche der Zuschauer lassen sich schnell von kleinen Gesten, die eine große Aufforderung bedeuten, beeinflussen. Ein einfacher Fingerzeig ist ein Befehl. Manche rennen ohne große Umschweife mit den Performern durch den Raum und um die Menschen herum. Doch gibt es natürlich auch die anderen, diejenigen, die wie festgeklebt an der Wand stehen, sich keinen Zentimeter bewegen und still das Geschehen beobachten. Alle Positionen sind willkommen und erlaubt während dieser Performance, die ja den menschlichen Umgang miteinander austestet. Da kann es auch passieren, dass man von der einen Ecke des Raumes im Sauseschritt und mit festem Polizeigriff im Nacken in die andere verfrachtet wird. Oder seltsam, wenn einer der Performer vor einem kniet und mit offenem Mund still schreit. Die dominanten Szenen – der stampfende Marsch durch die Zuschauenden beispielsweise –, die als eher negativ erfahren werden, sind jedoch die Ausnahme. Wie gewöhnlich bleiben diese länger im Gedächtnis als die friedlichen. Wenn man beispielsweise einfach so umarmt wird. Und das sollte man wirklich öfter tun.

 

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