Beschwingt und heiter – vom Feinsten

Eine glanzvolle Wiederaufnahme von „Chopin Dances“ mit zwei Choreografien von Jerome Robbins anlässlich dessen 100. Geburtstags beim Hamburg Ballett

Für Hamburgs Ballett-Intendanten John Neumeier ist „Dances at a Gathering“ von Jerome Robbins „das größte Ballett des 20. Jahrhunderts“ – und so nimmt es nicht Wunder, dass gerade dieses Werk anlässlich des 100. Geburtstags beim Hamburg Ballett wiederaufgenommen wird.

Hamburg, 20/09/2017

Für Hamburgs Ballett-Intendanten John Neumeier ist „Dances at a Gathering“ von Jerome Robbins „das größte Ballett des 20. Jahrhunderts“ – und so nimmt es nicht Wunder, dass gerade dieses Werk anlässlich des 100. Geburtstags des „größten amerikanischen Choreografen des 20. Jahrhunderts“ (so sagte John Neumeier) beim Hamburg Ballett wiederaufgenommen wird, zusammen mit dem umwerfend komischen „The Concert“ – zum zweiten Mal nach der ersten Vorstellungs-Serie 2010 (siehe hierzu auch tanznetz vom 6.12.2010). Robbins zündet hier ein Feuerwerk brillanter Choreografenkunst, gepaart mit einem untrüglichen Sinn für das perfekte Timing.

Zu Beginn jedoch erstmal Beschwingt-Besinnliches: „Dances at a Gathering“. Dieses Stück, das absolut heiter und schwerelos erscheint, gehört mit zum Schwierigsten, was die Ballettliteratur zu bieten hat. Es sind 18 Szenen zu Mazurken, Walzer, Etuden und Nocturnes von Frédéric Chopin, in denen sich fünf Tänzerinnen und fünf Tänzer immer wieder in unterschiedlichen Konstellationen begegnen oder in Soli zeigen, mal besinnlich, mal frech, mal melancholisch, mal kapriziös, mal überschäumend vor Lebensfreude. Es ist ein einziger Lobgesang auf das Leben und die Liebe. Robbins’ bis ins Letzte ausgefeilte Choreografie erfordert seitens der TänzerInnen nicht nur ein hohes Maß an Dynamik, Tempo und Schwung, sondern in ebenso großem Maße lyrisches Empfinden, Hingabe, Leichtigkeit. Das muss wie hingetupft getanzt werden, ebenso elegant wie leichtfüßig, und vor allem: absolut stimmig im Timing. Gelingt das, ist „Dances at a Gathering“ Tanzgenuss pur – und so war es auch bei der Premiere am vergangenen Sonntagabend.

Ausnahmslos alle zehn Tänzerinnen waren in Bestform – Alexandre Riabko als Mann in Braun (diese Brillanz, diese Ausstrahlung!), Karen Azatyan als Mann in Violett (diese Klarheit!), Christopher Evans als Mann in Grün (diese Jungenhaftigkeit!), Aleix Martínez als Mann in Terracotta (diese Präzision!), Jacopo Belussi als Mann in Blau (dieser Charme!) ebenso wie Carolina Aguero als Frau in Pink (diese Eleganz!), Mayo Arii als Frau in Mauve (diese edle Linie!), Madoka Sugai als Frau in Apricot (diese Präsenz, diese Sicherheit!), Yaiza Coll als Frau in Grün (diese Delikatesse!) und Giorgia Giani als Frau in Blau (diese Mädchenhaftigkeit!). Jede/r einzelne von ihnen grandios, alle zusammen hochmusikalisch im Zusammenspiel, und vor allem: mit Haut und Haar hingegeben an Tanz und Musik. Überhaupt die Musik: Diese schwierigen Stücke von Chopin, die man ebenso lyrisch wie kraftvoll spielen muss, mit genau der richtigen Dosis Gefühl, damit sie wirklich klingen – nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Michal Bialk hat das untrügliche Gespür für diesen schwierigen Balanceakt, es ist sein ganz großes Verdienst, dass Tanz und Musik hier wirklich zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen können.

Das gilt auch für Teil 2 des Abends: „The Concert“, von Jerome Robbins als „Scharade in einem Akt“ bezeichnet, diese großartige Persiflage auf exaltierte Pianisten, Ballerinen-Allüren und Publikums-Marotten. Gerade das kann so leicht danebengehen – aber hier und heute passt einfach alles. Herausragend Ivan Urban als lüstern-machohafter Ehemann mit Hang zum Militärischen, Carolina Aguero als Ballerina (die ihrem komischen Talent hier mal so richtig die Sporen geben darf), Patricia Friza als zickige Ehefrau, Konstantin Tselikov als schüchterner Jüngling – um nur die wichtigsten zu nennen. Großartig die Verhohnepiepelung der „Schwanensee“-Klassik für sechs Tänzerinnen, die von allen Beteiligten höchst genussvoll durch den Kakao gezogen wird. Da vergaß das Publikum sogar das Husten, das den ersten Teil des Abends oft empfindlich störte, ebenso wie zwei knarzende Stellen des Bühnenbodens. Das waren dann aber wirklich die einzigen Beeinträchtigungen einer ansonsten glänzend gelungenen Premiere. Jerome Robbins im Himmel dürfte sich gefreut haben!

Weitere Vorstellungen am 20., 21. September, 28. Oktober und dann noch einmal im Rahmen der Ballett-Tage am 7. Juli 2018.

 

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