„The Lee Ellroy Show“ von Hans Van den Broeck
„The Lee Ellroy Show“ von Hans Van den Broeck

Alpträume eines Traumatisierten

Die deutsche Erstaufführung von Hans Van den Broecks „The Lee Ellroy Show“ im Pumpenhaus Münster

Eine grandiose und mehr als aktuelle Performance mit emotionalem Tiefgang.

Münster, 29/10/2017

Hans Van den Broecks Arbeit „The Lee Ellroy Show“ entstand 2014 als Duett, basierend auf James Ellroys Autobiografie „My Dark Places“ von 1996. Krimi-Fans kennen den amerikanischen Autor (Die schwarze Dahlie, Perfidia). Weniger bekannt ist die Motivation, die den gebürtigen Kalifornier zum Verfassen seiner chaotischen, brutalen, düsteren und oftmals sarkastischen Szenarien trieb. Schreiben war und ist für Ellroy Therapie, um seine frühkindliche Traumatisierung durch die Ermordung der Mutter zu bewältigen. Jeder Anblick einer Frau löst, ebenso wie das kalte Gesicht des früh aus dem Familienverband geflüchteten Vaters, ein emotionales Chaos in dem Verwaisten aus.

Der Belgier Van den Broeck, einst Tänzer in Alain Platels Truppe, langjähriger Choreograf für „Les Ballet C de la B“ auf der Schiene von Jan Fabre, hat die Brisanz des Konflikts genau erkannt. Sein 75 Minuten-Stück beginnt mit einer Episode aus einer TV-Show. Scheinbar nonchalant wirbt der Star in „The Lee Ellroy Show“ für sein neues Buch, die Autobiografie. Aber, ähnlich wie dem Comedian Dovele in David Grossmans Roman „Kommt ein Pferd in die Bar“, entgleitet ihm der Auftritt. Die Buchpräsentation ruft mit ungewollter Vehemenz Erinnerungen an die frühe Kindheit mit der Mutter wach.

Etwas zähflüssig reihen sich Szenen von damals aneinander. Die Mutter wird durch den Wechsel der Perücke (Kostüme: Marion Jouffre) zur „Frau“ schlechthin, und die Magazinseite einer nackten Schönen schrumpft zum Objekt sexueller Begierde. Filmische Einspieler zeigen offenbar den Vater als seriösen Karrieremann. Immer näher rückt in der Fantasie des Stars die Mordnacht in der Kindheit. Danach endlich die große Tanzszene: Anuschka Von Oppen (Mutter) trippelt, ganz in schwarz, als tote Mutter durch den engen (Gedanken-)Käfig aus schmuddeligen, transparenten Gummi-Planen. Von stroboskopischen Schlaglichtern und schwebenden Neonleuchten begleitet, vollführt Jake Ingram-Dodd (der Sohn) einen Veitstanz als Kampf gegen die erstickende Umklammerung durch das frühkindliche Trauma. So endet die Performance mit emotionalem Tiefgang. Viele Zuschauer erhoben sich in Münster still zum minutenlangen Applaus.

 

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