Kraftquellen der Bewegung

„Movement Episodes“ von laborgras vereint Arbeiten von Keith A. Thompson, David Hernandez und Renate Graziadei

Wenn auch in unterschiedlichen Bewegungssprachen gehalten teilen sich die Stücke neben den TänzerInnen Mariagiulia Serantoni, Rosalind Masson, Côme Camelet und Renate Graziadei auch die enge Beziehung zur Musik.

Berlin, 03/11/2017

Hinter „Movement Episodes“ steht das von Renate Graziadei und Arthur Stäldi gegründete, national und international renommierte Studio laborgras, das seit 2000 in Berlin ansässig ist und mit diesem Stück den Abschluss des langjährigen Zyklus „The Renaissance of …“ begeht. Im zeitgenössischen Tanz verankert kooperiert laborgras, u.a. mit dem Kurt-Jooss-Preis (2004) ausgezeichnet, mit KünstlerInnen unterschiedlichster Disziplinen, legt seinen Schwerpunkt auf die elementare Rolle des Publikums und setzt sich für eine Zugänglichkeit zum Tanz ein.

Wenn auch in unterschiedlichen Bewegungssprachen gehalten teilen sich die Stücke neben den TänzerInnen Mariagiulia Serantoni, Rosalind Masson, Côme Camelet und Renate Graziadei auch die enge Beziehung zur Musik. Diese variiert von extrem differenzierten und hochaufgelösten Field Recordings, die an die Videoinstallationen von Lundahl & Seitl oder Ed Adkins erinnern, mit Noise Rock, Klaviermusik, experimentellen Streichern und gesetzter Stille. Aber auch in den Bewegungsformen – in denen die TänzerInnen immer wieder als Gemeinsames agieren und in harmonischer Synchronität zusammenkommen um sich dann wieder zu zerstäuben und ihren eigenen Weg verfolgen – finden sich erstaunlich viele Ähnlichkeiten, so dass der Dialog zwischen den Stücken weit erfahrbarer ist als deren Eigenständigkeit.

Die erste Episode „Axioms Between Frames in Time“ von Keith A. Thompson versetzt uns trotz sommerlich bunter Farben in herbstliche Nostalgie. Die zeitlos und gleichzeitig trendig wirkenden Kostüme sind wie in allen Stücken von der Textilkünstlerin Arianna Fantin. Die TänzerInnen, meint man, sind zusammen und auch wieder nicht. Sie staunen, mit eingezogener Luft, das Bein am Höhepunkt gehalten, über das sanfte Wiederkommen des Atems. Geräuschkulissen und Klaviermusik. Rhythmische Akzente. Das Wiederkennen der anderen, eine rasche Verabschiedung voneinander und von den Erinnerungen.

Dunkelheit. Man hört die Bewegung. Hört den Körper auf den Boden fallen, bevor das Licht schlagartig angeht. Mit industriellem Post-Minimalismus platzt Glenn Branca aus den Lautsprechern. In der Episode von Renate Graziadei „Broken Mirror“ umfassen schwarze, fischernetzartige Kleider die Körper der DarstellerInnen, wenn sie sich mit hyperaufmerksamen Blicken verfolgen und in die Kinesphäre des anderen eindringen. Das Gewicht von rechts nach links verlagern. Bereitschaft. Dunkelheit. Dann wieder rhythmisch wechselndes Lichtspiel, indem sie in gleißend weißes Neonlicht oder clubartig, grünlich dunkle Atmosphären getaucht sind.

Streifen und Linien auf der Kleidung setzten sich in den Armen der TänzerInnen fort. Auf die vermeintliche Kollision der Körper, die gar nicht wirklich einsetzt, folgt ein spannungsgeladenes Innehalten. Die vier zueinander positioniert, die Hand gehoben. Warten. Der Atem gibt wieder den Einsatz zum Vorstoß, man ist schnell beieinander. Entfernt sich wieder. Wie im Untergrund bewegen sich die PerformerInnen zur Musik von Anna Clyne in „Methods of remembering“ von David Hernandez als gemeinsame Truppe vorwärts. Ducken sich untereinander durch, vereinzelt dringen sie in den Raum vor, finden sich wieder. Ein Kuss?

Die drei Bewegungsepisoden sind noch bis Sonntag, den 05.11. im Dock11 in Berlin zu sehen sein.

 

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