„Liberace“ von Silvana Schröder

Glitzerchoreografie

„Liberace“ am Thüringer Staatsballett

Die gefeierte Balletturaufführung „Liberace - Glitzer, Schampus und Chopin“ von Silvana Schröder am Thüringer Staatsballett in Gera.

Gera, 13/05/2018

Liberace: amerikanischer Pianist und Entertainer. Keiner spielte Chopin so schnell wie er. Er verband klassische Musik in glitzernden Shows mit Pop- und Broadwaymusik, seine Fernsehauftritte in den USA brachten millionenfache Einschaltquoten. Seine Gagen waren traumhaft, Ende der 1970er Jahre überschritt sein Vermögen die 100-Millionen-Dollar-Grenze. Der Paradiesvogel zeigte seinen Reichtum in Kostümen und Ausstattungen seiner Shows. Das Publikum, besonders die Frauen, lagen ihm zu Füßen. Missverständnis. Liberace war homosexuell, eigentlich nicht zu übersehen, aber was nicht wahr sein sollte, war auch nicht wahr, und er klagte erfolgreich gegen Journalist*innen und Presse, die darüber berichteten. Als er am 4. Februar 1987 im Alter von 67 Jahren in Palm Springs an den Folgen einer HIV-Infektion starb, war zunächst die Rede von einem Herzinfarkt.

Selbst Regisseur Steven Soderbergh hatte 2013 noch Schwierigkeiten seinen Film „Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll“ mit Michael Douglas und Matt Damon in Hollywood zu finanzieren und produzierende Studios zu finden. Zu schwul für Hollywood. Nach der Uraufführung bei den Filmfestspielen in Cannes lief er in den USA zunächst nur im Fernsehen. Durch den Film, in dem es um die Liebesgeschichte Liberaces mit dem jungen Scott Thorson geht, wurde Liberace auch in Deutschland bekannt. Jetzt hat Ballettdirektorin Silvana Schröder mit dem Staatsballett Thüringen Liberace erstmals als Ballett auf die Bühne gebracht, mit Glitzer, Schampus und Chopin.

Und das gelingt mit Bravour! Es glitzert, es flimmert, die Bühnentechnik kommt voll zum Einsatz in der großartigen Ausstattung von Verena Hemmerlein. Sie fährt auf, was möglich ist. Die Drehbühne wandelt die Szene in einem Augenblick vom Konzertsaal mit euphorisiertem Publikum zum Club mit Stars and Stripes, mit Loverboys und Adonissen, Showgirls und männlichen Models. Die Tänzerinnen und Tänzer wechseln ihre Rollen im Nu. Das ist atemberaubend. Vor der Bühne ein Wasserbecken für erotische Badevergnügen. Fünf Tänzerinnen tanzen als weiße Pudel exzellent auf der Spitze. Liberace liebte Hunde, er soll wohl über 50 gehabt haben. Hier inszeniert Silvana Schröder groteske Szenen in denen man sieht, dass er die schönen und jungen Männer eigentlich nur liebt, wenn sie so gehorsam nach seiner Pfeife tanzten wie die Hunde.

In Gera gibt es drei Liberaces. Da ist der alte, vom Verfall gezeichnete, gebrechliche Mann: Werner Ranke, 65 Jahre alt, Tänzer und Choreograf, Silvana Schröders Vorgänger in Gera. So etwas sieht man wohl selten. In einem Monolog macht sich der alte Mann nackt und schutzlos, die teure Robe soll nicht zuletzt die körperliche und seelische Einsamkeit verbergen. Da ist der Pianist Olav Kröger. Er spielt live, im Wechsel mit Zuspielungen originaler Aufnahmen von Liberace, immer am Flügel anwesend, musikalischer Ausdruck. Er ist das Kontinuum, über Worte hinaus, mit den so unterschiedlichen Stilen und Facetten. Und da ist Jon Beitia Fernandez als junger Liberace, immer wieder im tänzerischen Dialog mit seinem Alten Ich, in seiner Lebens-, Liebes- und Anerkennungssucht auf der Flucht vor diesem Abbild, dabei in der Tragik gefangen, dass es ihm immer nur um sich geht. Leider auch in der Beziehung zu dem jungen Scott Thorson, um die es im Wesentlichen in diesem Ballett mit biografischen Stationen geht.

Silvana Schröder inszeniert und choreografiert unverstellt eine homosexuelle Liebesgeschichte. Sie geht sehr weit. Das kann sie auch, denn in der Rolle des Scott, Adoptivkind aus einfachen Verhältnissen, der zunächst dem Glitzer und dem Reichtum erliegt, vielleicht sogar in Liberace eine Vaterfigur sieht, kann Filip Kvačák tänzerisch und darstellerisch bestens überzeugen. Zunächst übersieht er, wie sein Vorgänger entsorgt wird. In blindem Gehorsam wird er sich einer plastischen Operation unterziehen um Liberace ähnlich zu sehen, dass der ihm Vater, Bruder, Lover und Freund sein wolle möchte er selbst gerne glauben, so ist es aber nicht. Auch er wird entsorgt, ein jüngerer, ein schönerer Typ ist zur Stelle. Da gelingt Silvana Schröder eine zutiefst berührende Szene: Liberace im Duett mit dem neuen Geliebten, Filip Kvačák daneben, eine Schattenfigur, die Bewegungen ihres Nachfolgers aufnimmt. So abgrundtiefe Einsamkeit gelingt selten auf der Bühne. Der Tanz macht das möglich, auch in der wunderbaren Musikalität, die ebenso für die ganze Kompanie gilt.

Die homosexuellen Liebesbeziehungen zwischen Männern werden ganz normal getanzt. Es sind Menschen, in besonderen Momenten zwei, die traditionelle Form ist der Pas de deux, hier lassen Männer in den Hebefiguren Männer schweben. Silvana Schröder widmet sich gerade diesen Szenen mit sensibler Zuneigung. Sie gestattet ein Höchstmaß an Emotionen, vor allem, wenn Alina Dogodina als Mutter Liberaces stirbt und ein regelrechtes Totentanzsolo eine Zäsur setzt. Da bekommt diese Glitzerchoreografie, die vor dem Kitsch als Kunstform nicht ausweicht, eine harte Grundierung, um im nächsten Moment die Beine zu schwingen, die Show geht weiter. Bis in die Einsamkeit, wenn das Liebesbett zum Totenbett wird, und Liberace, um für sich versöhnt zu sterben, nach Scott ruft. Und es geht ihm wieder nur um sich, Scott muss damit weiterleben. Für Liberace gibt es eine Himmelfahrtsrevue, als hätte er auch diese für sich selbst inszeniert.

Am Ende große Begeisterung für dieses Ballett von Silvana Schröder, in so stimmiger wie dynamischer Dramaturgie, bei bemerkenswert konstruktiver Zusammenarbeit mit dem Dramaturgen Daniel Siekhaus. Ganz der Thematik angemessen, Tanz in so vielen Facetten, große Show und großer Kitsch. Im Grunde aber entsetzliche Einsamkeit, und viel Glitzer, Schampus und Chopin.

 

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