Abschiedsvorstellung Jean Christophe Blavier

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Stuttgart, 11/05/2001

Er war einer der letzten übriggebliebenen Aktiven der Haydée-Ära, ausgesprochen beliebt als immer ungemein präsenter Solist des Stuttgarter Balletts, dann zunehmend als Choreograf, Video- und Mixed-Media-Mann, auch im Off-Bereich. Gleichwohl: seit Beginn der neuen Stuttgarter Ballettdirektion von Reid Anderson mehrten sich die Zeichen, dass, wie es jetzt immer so schön heißt, die Chemie zwischen ihm und Jean Christophe Blavier nicht stimmte.

Eigentlich unkündbar nach seiner einundzwanzigjährigen Mitgliedschaft beim Stuttgarter Ballett, verstand man es, Blavier derart unter Druck zu setzen, dass er von sich aus kündigte. Als Abschiedsgeschenk wurden ihm ein paar letzte Vorstellungen seines beim Publikum ausgesprochen beliebten „Sommernachtstraum“-Balletts zugestanden. Das war seit seiner Premiere vor drei Jahren eigentlich immer besser geworden – es brauchte halt seine Zeit, sich von den Mendelssohn-Klischeevorstellungen zu lösen, und es, nicht zuletzt dank seiner magischen Klänge von Roderik Vanderstraeten und seiner bizarren Kostümausstattung von Randi Bubat als ein legitimes Produkt unserer postmodernen Pop-Kultur zu akzeptieren.

Das Finale war jedenfalls grandios, toll getanzt von den Stuttgartern (mit Thomas Lempertz als traumschlotterndem Zettel und Eric Gauthier als augen- und fußzwinkerndem Puck), mit endlosen Vorhängen, jeder Menge Blumensträuße (der größte vom Ballettintendanten höchstpersönlich) und einer super Party hinterher. So etwas können die Stuttgarter ja – nach dem Motto: Wir sind das Tänzervolk!

Trotzdem: ein leichter Firnis von Melancholie war nicht zu ignorieren. Kaum jemand kann verstehen, warum Anderson ihn quasi hinausdrängte (obgleich man vom Fall Margaret Illmann her ja weiß, dass er es meisterhaft versteht, sich unliebsamer Mitarbeiter zu entledigen). Als Repräsentant der mokanten Love-Parade-Generation verkörpert Blavier exakt den Gegentyp zu dem sich immer so super-seriös bis obskur gebenden Christian Spuck, der – neben dem aufstrebenden Douglas Lee – zu Andersons ausgesprochenen Favoriten zählt – durchaus zu Recht, wie ich meine. Zwei sich so fabelhaft ergänzende choreografische Dioskuren-Junioren im Ensemble zu haben: eigentlich ein Glücksfall, sollte man meinen. Aber Stuttgarts Ballettintendant ist da offenbar anderer Meinung. Leider! Was uns nicht daran hindern sollte, Jean Christophe Blavier ein herzliches „Welcome back any time!“ nachzurufen.

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