Die Stunden der Erzählerinnen

Hannah Hurtzig: „Kiosk für nützliches Wissen“ im Tanzquartier

Wien, 08/03/2006

Hannah Hurtzig in ihrem Element: Die Dramaturgin (u. a. bei Frank Castorf), Festivalleiterin (u. a. „Theater der Welt“), Direktorin (u. a. Kampnagel in Hamburg) und Kuratorin aus Berlin klappt ihren Laptop auf, und schon surfen wir durch den von ihr erfundenen „Kiosk für nützliches Wissen“. Von 16. bis 18. März baut sie einen solchen in den Studios des Tanzquartier Wien auf und bittet an drei Abenden drei prominente Frauen um eine Vierstunden-Erzählung. Berichte von Frauen, die sich öffentlich und dezidiert politisch verhalten bzw. Stellung nehmen. Ob denn in Wien nicht die Debatte eines kritischen Urbanismus geführt werde, setzt Hurtzig die blitzartige Einführung in ihre „Mobile Akademie“ fragend fort und spricht von der „Überwachung und Limitierung des öffentlichen Raums“. Die ist natürlich auch in Wien ein Thema. Hurtzig geht es in ihrem Projekt um eine Art Erhaltung bzw. Neudefinition des öffentlichen Raums in der Stadt, in dem Geschichten anhand geografischer Stationen erzählt werden. Für ihr stationäres Wien-Projekt hat die vor vielen Jahren auch für die Festwochen tätige Kuratorin die Doyenne der Zeithistoriker, Erika Weinzierl, die politische Publizistin Isolde Charim und die Künstlerin Amina Handke zu einem ausführlichen öffentlichen Gespräch überreden können.

So ganz allein aber werden die Frauen aus drei Generationen nicht erzählen. Ihnen beigestellt sind jeweils sachverständige „Zuhörer“, die auch einhaken sollen. Die eigentliche Zuschauerschaft sitzt nicht im selben Raum, sondern verfolgt das Geschehen live mittels Video und über Kopfhörer. Auf diese Weise entspannen sich die Redner und Rednerinnen und werden auch persönlicher. Hannah Hurtzig nennt den Vorgang eine „urbane Versuchsanordnung“: In vier Stunden entsteht ein autobiografischer Roman, der nebenbei auf DVD aufgezeichnet wird. Das solcherart entstandene Kiosk-Archiv kann in Berlin eingesehen werden. Hurtzig träumt davon, dass sich die Idee verselbständigt und sich wieder kritische Geschichtenerzähler etablieren. Zu ihren seit vier Jahren betriebenen „Installationen zur Wissensvermittlung“ zählt auch ein Projekt, das den Berliner Tanzkongress „Wissen in Bewegung“ im April eröffnet. Hurtzig: „Das ist der Schwarzmarkt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen. An 100 Einzeltischen sitzen 100 Tanzexperten und bieten ihr Wissen an, das von Interessierten gebucht werden kann.“ An solch einem Tisch wird Ballettstar Vladimir Malakhov sein Wissen zur Verfügung stellen.

Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

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