MOZART

Zum Vierteljahrtausend-Jubliäum seines 250. Geburtstags

oe
Stuttgart, 27/01/2006

Ich fürchte, dass ich heute ganz persönlich werde. Denn Mozart war und ist der Leitstern meines Lebens – und er wird es wohl bis an dessen Ende bleiben. Erarbeitet habe ich ihn mir als Noch-nicht-Teenager zuerst am Klavier zweihändig, dann die Sinfonien vierhändig, mittels Schellackplatten auch die ersten Opernauszüge (denn immer wenn ich in den Kriegsjahren nach Berlin kam, was stand auf dem Spielplan der noch nicht geschlossenen Opernhäuser? Wagner, Wagner, Wagner! Was eine bis heute nachwirkende Wagner-Phobie bei mir bewirkt hat). Mit meiner Schwester habe ich in der Werkstatt-Garage meines Vaters (der hatte einen Bosch-Dienst) auch schon Mozart zur Aufführung gebracht: wir haben „Così fan tutte“ gespielt – sie war Così und ich war Tutte (oder war es umgekehrt?). Jedenfalls ist „Cosí fan tutte“ bis heute meine Lieblingsoper von Mozart geblieben.

Im Krieg begann auch die Serie der Mozart-Jubiläen, die ich bewusst und dankbar miterlebt habe: 1941 der 150. Todestag mit vielen Sendungen im damaligen Reichsrundfunk. 1956 der 200. Geburtstag mit meiner ersten England-Reise und meinem ersten Besuch in Glyndebourne, der englischen Mozart-Kultstätte, 1991 dann der 200. Todestag, der mir als damaligem Musikredakteur der Stuttgarter Zeitung eine Unmenge an Mozart-Literatur und die Gesamtausgabe seiner Musik als Taschenpartituren und auf CD bescherte.

Und nun also der 250. Geburtstag, den ich als Rentner erlebe – in einem Alter, in dem Mozart schon zweimal tot war! Und die Beglückung durch seine Musik hält unvermindert an – wie gerade erst wieder bei einer Neuinszenierung von „Così fan tutte“ in Straßburg zu erfahren war. Das gibt mir die Gelegenheit, mich daran zu erinnern, wie ich Mozart auf der Tanzbühne erlebt habe. Für einen Komponisten, der selbst ein so begeisterter Tänzer war, und der so viel Tanzmusik geschrieben hat – allerdings am wenigstens für die Bühne, dafür umso mehr für den Ballsaal – sind es eigentlich wenige Ballette gewesen, die sich dem Gedächtnis eingeprägt haben. Die schlimmste Erfahrung, um damit zu beginnen, war Béjarts vertanzte „Zauberflöte“ – zu laut, schrecklich verzerrte Tempi und ein albernes Herumgehüpfe (dabei hatte Béjart Jahre zuvor schon eine sehr hübsche Variationsfolge „Ah! vous dirai-je maman?“ choreografiert).

Nicht weniger provozierend „Wolf oder Wie Mozart auf den Hund kam“ von Alain Platel bei Les Ballets de la B. Dagegen unübertroffen in seiner musikalischen Stimmigkeit bis heute Balanchines „Symphonie concertante“ (1947) und sein „Divertimento Nr. 15“ (1956). Danach dann viel Mozart-Schrott, konzertant (einzelne Sinfonien und Klavierkonzerte – erinnert sich noch jemand an Bernd Bienerts „trazoM“-Ballette? – immer wieder das „Requiem“), aber auch anekdotisch aufgemotzt (Béjarts „Tod in Wien“, Zanellas „Wolfgang Amadé“). Tatsächlich sind die Mozart-Ballette, an die ich gern zurückdenke, die ich gern wiedersehen würde, an weniger als den Fingern beider Hände abzuzählen: eben die beiden Balanchines, Birgit Cullbergs „Die Winde der Liebe“ (fürs schwedische Fernsehen), Uwe Scholzens „Le jeune homme“, John Neumeiers „Mozart und Themen aus ‚Wie es Euch gefällt‘“ (aber ganz gewiss nicht sein „Mozart 338“ und die „Jupiter Sinfonie“), Hans van Manens „Andante“, Jirí Kyliáns „Sechs Tänze“ und Heinz Spoerlis „Eine lichte, helle, schöne Ferne“.

Und John Crankos „Konzert für Flöte und Harfe“? Dafür habe ich mich nie begeistern können – mir zu neckisch, die Jungs alle wie Lipizzaner abgerichtet und die Springbrunnen-Kaskaden (bekrönt mit Ana Cardus) auch nicht gerade eine choreografische Offenbarung. Und Mozarts eigene Ballettmusiken? Ich kann mich nicht an eine einzige Produktion seiner „Les petits riens“ erinnern (die haben nicht mal ein eigenes Stichwort im Reclam-Lexikon). Und die früher öfter anzutreffende „L‘Epreuve d‘amour“ (auch „Die Rekrutierung oder Die Liebesprobe“) ist längst als nicht von Mozart stammend enttarnt worden. Das lässt als einzige wirklich gewichtige Ballettkomposition Mozarts für die Bühne lediglich die sechzehn Minuten dauernden fünf Nummern des „Idomeneo“-Finales übrig. Die allerdings repräsentieren „Mozart at his greatest“ – und es wundert mich, dass kein mir bekannter Choreograf sie zum Anlass genommen hat, mit ihnen Mozart zu seinem 250. Geburtstag zu huldigen. Aber die Choreografen sind, wie man weiß, in der laufenden Spielzeit hauptsächlich mit Tschaikowsky befasst (von dem es immerhin die „Mozartiana“-Suite Nr. 4 G-Dur für Orchester gibt).

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