Die neue "Sleeping Beauty" überzeugt

Premiere am Royal Opera House

London, 23/05/2006

Die neue „Dornröschen“-Produktion zum 75. Geburtstag des Royal Ballet – das ursprünglich Vic-Wells Ballet, dann Sadler's Wells Ballet hieß und seit 50 Jahren seinen jetzigen Namen trägt – wurde seiner Gründerin Madame Ninette de Valois gewidmet. Schon wieder eine neue „Sleeping Beauty“-Produktion, mag man zu sagen geneigt sein, doch diese Version, die sicherlich schon deshalb sehr klassisch ist, weil sie sich auf die Produktion von Ninette de Valois aus dem Jahr 1946 beruft, ist in sich schlüssig und schön.

Dass „Dornröschen“ in London eine lange Geschichte hat, wird bereits aus dem Besetzungszettel deutlich: „Choreography: Marius Petipa, Additional Choreography Frederic Ashton, Anthony Dowell, Christopher Wheeldon“. „Dornröschen“ ist ein Stück, das für die Identität des Royal Ballet eine zentrale Rolle spielt – es gab seit der de Valois-Produktion von 1946 neue Bearbeitungen von Peter Wright (1968) und Kenneth MacMillan (1973), eine Überarbeitung von de Valois (1977), eine Produktion von Anthony Dowell (1994) sowie eine weitere von Natalia Makarova, die vor gerade einmal drei Jahren ihre Premiere hatte und sich an die ursprüngliche Version des Mariinsky-Theaters anlehnt.

Die jetzt gezeigte neueste Produktion verwendet die originalen Bühnenbildentwürfe von Oliver Messel aus dem Jahr 1946 (der bereits im Alter von 21 Jahren für Diaghilew und in den 1930er Jahren für Jacques Offenbach gearbeitet hat) in einer Überarbeitung von Peter Farmer und Messel selbst. Während Carabosse auf dem Wagen in Begleitung der Ratten an die letzte Rekonstruktion des Mariinsky-Balletts erinnert, sind die Kostüme hier wesentlich geschmackvoller und dezenter geraten. Insgesamt ist die Dramaturgie stark, besonders der zweite Akt, bevor Prinz Florimund, – mit Johan Kobborg wunderbar besetzt, seine Aurora, die engelsgleiche Alina Cojocaru, wachküsst.

Er verliebt sich in das Bild von Aurora, das ihm die Fliederfee Marianela Núñez zeigt, und in einem romantischen weißen Ballett, umgeben von Sylphidenwesen, tanzt Florimund seine ideale Liebe im grün-blauen Licht der Imagination. Ähnlich wie in „Schwanensee“ entgleitet ihm seine Aurora immer wieder in die Menge der weißen Wesen, in die er ihr vergeblich zu folgen sucht. Sehr überzeugend beteuert er der Fliederfee, dass er Aurora heiraten möchte, woraufhin die Fee – und hier wird einmal zumindest die Grenze zum Kitsch doch überschritten – ihn auf einem altertümlichen Wagen zum Schloss bringt, das noch von Carabosse bewacht wird. Bildlich ebenfalls sehr klar umgesetzt ist die Schlussszene des zweiten Akts, in der Carabosse just in dem Moment, in dem Aurora wachgeküsst wird, all ihre Macht verliert und verschwindet. Im Vergleich zum Beispiel mit der letztjährigen Inszenierung am Staatsballett Berlin bietet das Royal Ballet eine ausgesprochen starke Interpretation des zweiten Akts.

Wenngleich die Figur der Carabosse in der Stuttgarter Inszenierung von Marcia Haydée noch eindrucksvoller wirkt, überzeugt die Londoner Produktion gerade in ihrer klassischen Auslegung. Alle Faktoren spielen hier zusammen: Die ideale Besetzung, Cojocarus Brillanz nicht nur im Rosen-Adagio, das wunderbare Paar, das Kobborg und Cojocaru bilden, finden sich mit dem Orchester des Royal Opera House unter der Leitung von Valeriy Ovsyanikov zu einer Symbiose von seltener Kraft zusammen.

 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern