Strawinsky auf die feine englische Art

„Pulcinella“ und „Soldat“ auf zwei DVDs mit der Rambert Dance Company

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Stuttgart, 01/03/2006

Richard Alston, Jahrgang 1948, ist ein in England sehr geschätzter Choreograf, der aus dem London Contemporary Dance Theatre hervorgegangen ist und dann seine eigene Gruppe hatte, für die er eifrig choreografiert hat. Von 1986 bis 1993 war er Artistic Director des Ballet Rambert, das unter ihm in Rambert Dance Company umbenannt wurde – um sich so von seiner „Ballett“-Vergangenheit abzusetzen (inzwischen hat er wieder seine eigene Richard Alston Dance Company).

Aus seiner Rambert-Zeit stammen die beiden Ballette, die, aufgenommen fürs BBC Fernsehen Ende der achtziger Jahre, jetzt auf DVD erschienen sind: „Pulcinella“ und „Soldat“ (NVC Arts und Warner Music Vision, 9031-74249-2, 65´). „Pulcinella“ hat er selbst choreografiert, „Soldat“ (das ist die Suite aus der „Geschichte vom Soldaten“ – ohne Text), stammt von Ashley Page, seinem etwas jüngeren Kollegen (Jahrgang 1956), der inzwischen Chef des Scottish Ballet ist. Nichts über diesen dokumentarischen Hintergrund erfährt man von dem einfachen Textblatt, das gerade mal die Story von „Pulcinella“ und ein paar Stichworte zum „Soldaten“ liefert, ohne auch nur zu informieren, dass es sich bei der „Histoire du soldat“ immerhin um ein die bisherigen Gattungsgrenzen sprengendes Stück ‚A réciter, jouer et danser‘ handelt (es „begründete“ laut Kirchmeyerschem Strawinsky-Werkverzeichnis „das, was man später Neues Musiktheater nannte, war mit den herkömmlichen Gattungsbegriffen nicht mehr zu erfassen und widersprach jeder bisherigen Vorstellung von Ausdrucksmusik“).

Offenbar sind beide Ballette bei ihrer Premiere positiv aufgenommen worden – aus heutiger Perspektive wohl hauptsächlich wegen der farblich attraktiven Ausstattung des Malers und Bildhauers Howard Hodgkin, denn choreografisch betrachtet, geben beide nicht viel her. Sie befleißigen sich eines gemeinplätzigen Allerwelts-Modernismus, ohne jegliche titelbezogene Charakteristik – und das ist in beiden Fällen, da es sich ja um ausgesprochen erzählerische Stoffe handelt, geradezu tödlich. Nicht die Spur von neapolitanischem Commedia dell‘arte-Witz in „Pulcinella“ (wie beispielsweise in Spoerlis inzwischen auch auf DVD vorliegender Basler Version) – nichts von der diabolischen Seelenfängerei, die Strawinsky/Ramuz‘ Teufel auszeichnet (der segnet hier sogar am Ende als Priester die Ehe des Soldaten und der Prinzessin). Auch die wenig für sich einnehmenden Tänzer bieten nicht mehr als durchschnittliches Stadttheaterniveau. Den texturklaren musikalischen Einspielungen mit dem BBC Symphony Orchestra unter Brian Wright („Pulcinella“) und The Mercury Ensemble mit dem Dirigenten Roger Heaton hätte man wahrlich inspiriertere Choreografien gewünscht!

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