Hinein ins bewegte Leben!

Ein Tanzprojekt für Kinder im Hamburger Schauspielhaus

Hamburg, 10/06/2006

Tanzprojekte an Schulen, vor allem an sozialen Brennpunkten der Großstädte, haben seit dem Erfolg von „Rhythm is it“ Hochkonjunktur. Jüngstes Beispiel: die Initiative „Fokus!Tanzperformance“ und ihre Aufführung am 8. Juli im Malersaal des Hamburger Schauspielhauses (Achtung: nicht zu verwechseln mit „Focus on YOUth“, siehe Rezension vom 23.5.2006). „Fokus!Tanzperformance“ ist ein Folgeprojekt von „Big Dance“, das Royston Maldoom mit der NDR-Bigband anlässlich des Kinder-Kulturkongresses Ende September 2005 in der Kampnagel-Fabrik aufführte, und koppelt Freiwillige aus zwei Schulen zusammen: Schülerinnen und Schüler aus den Klassen 5 bis 9 der Schule Hamburg-Langenhorn sowie der 4. Klassen aus der Grundschule Hamburg-Mümmelmannsberg. Unter der Projektleitung von Gabriele Gierz, Andree Wenzel und Malte Heutling (Violine) vom NDR-Sinfonieorchester wurde eine muntere Tanz- und Chorperformance erarbeitet, begleitet von weiteren Musikern des NDR-Sinfonieorchesters.

Es beginnt leise und kontemplativ: „Puls und Atem“ nennt sich die Kombination aus Chor und Tanz für die Viertklässler. 13 Kinder, ganz in weiß gekleidet, scharen sich um drei Klangschalen, lange schweben die Töne im Raum, werden aufgegriffen von den Stimmen der Kinder, verwandelt in Vokale, Worte, neue Klänge. Die „kleine Klangliturgie“, wie die Sängerin Jorinde Reznikoff diesen Teil genannt hat, mündet in einem Tanzlied von Pilgern, einer Cantiga aus dem 12. Jahrhundert, deren deutsche Strophen die Kinder selbst gedichtet haben. Hoch konzentriert sind die 10jährigen bei der Sache. Anschließend wirbeln 35 Tanzkinder nach einem Trio für Violine, Viola und Cello von Jean Françaix durch den Bühnenraum - in geordnetem Chaos, kreuz und quer, diagonal und frontal, einzeln, in Grüppchen, zusammen, in immer neuen Konfigurationen. Hier sollen, wie Malte Heutling sagt, „musikalische Werke nicht als fertige Produkte, sondern als vom Menschen gestaltete und veränderbare Kulturleistung erfahren werden“, die zu eigener Kreativität anregen. Das ist gelungen.

„Spot on me“ nennt sich Teil 2 der Performance, wo die 10- bis 15jährigen (13 Mädchen, 2 Jungen) nach Musik von Bohuslav Martinu eine anspruchsvolle Choreografie von Gabriele Gierz und Andree Wenzel einstudiert haben, in der es vor allem auf das Miteinander ankommt. Alleingänge, Extrawürste, Eitelkeiten - ausgeschlossen. Hier ist Teamwork gefragt, gemeinsam Geleistetes, jeder muss auf den und die anderen achten. Und die Jugendlichen schaffen das auf bewundernswerte Weise.

In beiden Stücken wird augenfällig, wie wertvoll diese Projekte sind: sie holen die Kinder weg von PC- und TV-Monotonie, heraus aus der Isolation der Wohnsilos. Sie führen sie mitten hinein ins positiv und stimulierend erlebte Miteinander, ins Füreinander, ins bewegte Leben. Hier wird Sozialkompetenz geschult - aber nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern lustvoll, kreativ, lebensfroh. Die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck sah es mit Genuss - so besteht Hoffnung, dass es bald heißen kann: Fortsetzung folgt.

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