„Born to Samba“

Ohne jeden Show-Kommerz

München, 19/10/2007

Drei Kunstpalmen, eine gemalte große Sonne, aber Musik & Tanz satt - und schon lacht uns ein Brasilien entgegen, in das man sich stracks verlieben muss: „Born to Samba“, eine Show - ja das gibt es tatsächlich - ohne jeden Show-Kommerz. Und wahrscheinlich gelang das so, weil Regisseur Toby Gough auf seiner Recherche genau die richtigen Leute traf, vor allem durch den Amerikaner Randy Roberts. Sein Plattenladen in der Altstadt von Salvador de Bahia ist nicht nur eine Fundgrube für brasilianische Musik, er kennt auch alle Musikergrößen, von denen man jetzt im Münchner Deutschen Theater vier Legenden erleben kann. Doch von ihnen später.

Roberts, „Pardal“ (der Spatz), wie er in Salvador längst heißt, macht selbst (in bestem Deutsch) den Erzähler. Das wirkt zwei Minuten lang didaktisch. Allerhöchstens. Dann haben diese hinreißenden Sambistas sich schon ins Zuschauerherz gespielt und getanzt. Was da an Klängen - von Gitarren, Akkordeon, Querflöte, Tamburin und Berimbau -, was an Rhythmen und Charisma von der Bühne rüber kommt, wirkt so ganz überraschend frisch, unverkünstelt, echt. Wenn man dann erfährt, dass die Band Bitgaboott in einem der Armenviertel Salvadors, der Favela Candeal, entstand, weiß man warum: diese Musiker performen nicht. Die machen Musik aus Lebenswillen, Selbstbehauptung und lauter Lust. Im totalen Körpereinsatz an den Trommeln nicht nur die Bitgabootts, sondern auch die Benjamine (der jüngste erst 12) aus der Candeal-Musikschule.

Auch wenn der musikalische Leiter Alex Mesquita in die 26 Nummern seinen speziellen „Born to Samba“-Sound hineinarrangiert hat, da ist doch die ganze Palette zu hören: vom „samba de roda“, dessen Trommelrhythmen die Sklaven aus Angola mitgebracht hatten, über den jazzigen Bossa Nova der 50/60er Jahre bis zum HipHop-inspirierten Samba. Und wenn unsereins mal einen soften Party-Samba geschoben hat, kriegt er Stielaugen bei dem, was diese Tänzer aufs Parkett legen: nicht so viele verschiedene Schritte, keine große Choreographie, und dennoch hat alles eine ungeheure tänzerische Ausstrahlung. Die Mädchen mit einem umwerfend hübschen Naturcharme, die sechs attraktiven Männer - alle Enkel von einem Ebenholz-Apoll – dann auch noch atemberaubend in dem rasenden Capoeira, dem Kampfsport der Sklaven, den sie als Tanzübung tarnten.

Je länger der Abend, um so schöner wird er, weil in wohlgetimten Abständen die großartigen „Vier“ auftreten, im Pass zwar zwischen 60 und 86, hier in Aktion aber von Alter keine Spur. Raimondo Sodré, ein kerniger Sunnyboy mit gesellschaftskritischem Engagement, singt sein „A Massa“, 1980 ein Hit, der ihn jedoch ins Exil zwang. Dann der rundliche Bulé Bulé, weißer Rauschebart unterm Lederhut, aber behend auf den Füßen, ein echter Griot, wie die westafrikanischen Geschichtenerzähler heißen. Dann Mateus Aleluja mit seiner schönen Tochter, ein edler afrikanischer König und eine Prinzessin, in einem Duett und in der Folge sehr stimmig gepaart mit einem von der Mädchengruppe wild getanzten Candomblé-Ritual. Und schließlich Riachao, grazil tänzelnd und keck, schnell, witzig in seinen Liedern, singt er seine 86 einfach weg. Statt Urlaub „Born to Samba“, da liegt man richtig.


Bis 4. November, 20 Uhr, Karten 089/ 55 234 4444

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