Abschied eines Tanzschauspielers

Der Pariser Danseur Etoile Kader Belarbi beendet seine Karriere mit Carolyn Carlsons „Signes“

Paris, 22/07/2008

Wer Kader Belarbi in den letzten Jahren in einer seiner Glanzrollen gesehen hat – beispielsweise in Pina Bauschs „Orpheus und Eurydike“, Mats Eks „Giselle“, Béjarts „Mandarin Merveilleux“, Fokines „Petruschka“, als Lescaut in MacMillans „Manon“ oder als Amor-Orion in Neumeiers „Sylvia“ – weiß, dass die Pariser Oper ab dem Ende dieser Spielzeit nicht nur ein tänzerisches, sondern auch ein herausragendes schauspielerisches Talent weniger in ihren Reihen zählt.

Mit 45 Jahren zeigt Kader Belarbi in dem 1994 für ihn und Marie-Claude Pietragalla kreierten Ballett „Signes“ („Zeichen“) noch einmal die zahlreichen Facetten seiner tänzerischen Persönlichkeit. Das Stück wurde durch eine Serie von Gemälden des französischen Malers Olivier Debré inspiriert, unter denen Carlson sieben auswählte, um den Raum für ihre Choreografie zu gestalten. Debré zufolge sind seine Gemälde „Zeichen“, wobei das erste der Serie das menschliche Lächeln symbolisiert, wohingegen die darauffolgenden Bilder auf abstrakte Weise Landschaften darstellen. Es handelt sich dabei um großformatige, von wenigen, größtenteils flächig aufgetragenen Farben dominierte Werke, auf die Debré einige mobile Objekte und die reizvollen Kostüme abstimmte, so dass das ganze Bühnengeschehen an bewegte, dreidimensionale Gemälde denken lässt. Expressionistische Theaterstücke wie Kandinskys „Der gelbe Klang“ scheinen hier ebenso zum Leben erweckt wie surrealistische Landschaften; einige Teile des Dekors erinnern an Skulpturen von Hans Arp.

Das Ergebnis dieses originellen Konzepts ist eine Reise durch verschiedene Regionen, verschiedene Stimmungen und verschiedene Elemente, die jeweils durch ein eigenes Bewegungsvokabular gekennzeichnet sind. Im Bild „Signe du Sourire“ zum Beispiel dreht sich Marie-Agnès Gillot, die 2004 in dieser Rolle zur Danseuse Etoile ernannt wurde, in einem strahlendgelben Kleid wie eine Sonne und wiederholt die kreisförmige Bewegung mit ihren endlos langen Armen. Besonders gelungen ist der Pas de Deux zwischen Gillot und Belarbi, der eine Szene des Abschieds und Verlustes zu erzählen scheint, sowie das Bild „Loire du matin“. Kader Belarbi tritt hier als eine Art Gangster mit gelben Hosenträgern auf, boxt in seinen Hut, rennt rückwärts und bewegt sich kurz darauf unter mechanischem Rattern wie ein Uhrwerk, all dies mit einer unwiderstehlichen, gewollt steifen Stummfilmmimik.

In einer weiteren Szene hüpfen rot und schwarz gekleidete „baltische Mönche“ wie eine Mischung aus Höhlenmenschen, die ein Kampfritual durchführen, und Kriegern aus einem Computerspiel über die Bühne, zur Originalmusik von René Aubry. Diese ist hier in ihrer aggressiven Monotonie recht nervenaufreibend, wohingegen sie an anderen Stellen eine angenehme meditative Stimmung schafft. Einen optischen Höhepunkt bildet – kurz vor dem etwas zu gravitätisch und bedeutungsleer-bedeutungsschweren Schlussbild „Victoire des Signes“ – das Tableau „Les couleurs de Maduraï“, nicht zuletzt aufgrund eines drahtigen Solos von Adrien Couvez, der sich dieses kleine Schmuckstück einer Rolle mit Schwung aneignete. Von der Uraufführung übrig war bei dieser Wiederaufnahme nur Kader Belarbi, der zu Recht bejubelt wurde für eine Vorstellung, in der seine besonderen Qualitäten als Tanzschauspieler noch einmal offensichtlich hervortraten. In Zukunft wird er sich stärker der Choreografie zuwenden, und man hofft nach seinem ersten abendfüllenden Ballett „Hurlevent“ auf weitere Bereicherungen des Repertoires der Kompanie.

 

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