„Breviario“ - Der Flamenco flirtet mit der Show

Die Gruppe Increpación Danza aus Barcelona mit „Breviario“ im Tanzhaus NRW in Düsseldorf

Düsseldorf, 21/03/2008

Seit die in Barcelona beheimatete Gruppe Increpación Danza 1997 mit ihrem grandiosen Frauenstück „Wad-ras“ beim Meeting Neuer Tanz in Nordrhein-Westfalen gastierte, ist sie in regelmäßigen Abständen mit starken, ungewöhnlichen Flamenco-Choreografien nach Düsseldorf zurückgekehrt. Auch ihr neues, im Rahmen eines Flamenco-Festivals im Tanzhaus NRW uraufgeführtes (und vom Tanzhaus ko-produziertes) Stück „Breviario“ erfüllt den Tatbestand des Ungewöhnlichen; ob es auch die Qualität früherer Arbeiten von Ramón Baeza und Montse Sánchez erreicht, steht auf einem anderen Blatt.

Auf der dunklen Bühne sind sechs große, fahrbare Ankleidespiegel verteilt, zwischen denen, ab und an etwas neu arrangierend, Baeza eingangs herumwandert. Hinter vier der Spiegel warten die Tänzerinnen des Abends – Helga Carafi, Vanesa Dominguez, Marisa Güimil und Ruth Garcia – auf ihre Auftritte. Einzeln treten sie in Lichtkegel, die sie aus dem Dunkel herausleuchten, und was sie tun, hat mit Flamenco zunächst wenig zu tun. Increpación Danza flirtet mit der Show. Die Musik, die aus den Lautsprechern kommt, ist populäre Ohrwurm-Musik. Die Tänzerinnen, zunächst in dunklen Hosenanzügen, drapieren ihre überschlanken Gliedmaßen auf und um kleine schwarze Holzkästen, die ihnen Baeza im Vordergrund der Bühne aufgebaut hat. Eine nach der anderen darf sich mit einem Solo präsentieren, und noch immer bleiben die klassischen Flamenco-Bewegungen außen vor.

Carafi & Co. rollen über den Boden, schießen Kobolz, formieren sich zu Kräfte messenden Duetten und verschmähen es auch nicht, mit Kastagnetten zu klappern. Aber selbst wenn sie doch einmal Rhythmen in den Boden stampfen, sieht das eher nach Stepptanz als nach Flamenco aus. Etwa in der Mitte der gerade mal knapp einstündigen Aufführung ersetzt eine der Tänzerinnen ihr langes Beinkleid durch einen duftigen weißen Tüllrock und präsentiert sich zwischen den neu geordneten Spiegeln als eine leicht überkandidelte Schwester der klassischen Sylphide, ehe sie kopfüber über den Boden kugelt. Eine andere hat ihr Beinkleid durch die Parodie eines Flamenco-Kostüms ersetzt, mit dessen langer Schleppe sie beschwerliche Kämpfe ausficht. Die dritte schlingt sich einen Spazierstock um Hals und Glieder, während die vierte nicht von ihrem Holzkasten lassen mag und ihn als Tanzpartner über die Bühne schwingt.

Doch ganz am Ende scheint sich, einigermaßen überraschend und abrupt, die Einsicht durchzusetzen, dass es ganz ohne Flamenco doch nicht geht. Die Spiegel werden noch einmal neu arrangiert, die Holzkästen als Trommeln verwendet, und jede der Tänzerinnen darf zeigen, dass sie, olé, auch mit dem traditionellen Flamenco keine Probleme hat. Insgesamt ergibt das einen durchaus amüsanten, kurzweiligen Abend, an dem der souveräne, phantasievolle Umgang mit dem traditionellen Material besticht. Doch ästhetisch satt macht die von Brüchen dominierte Aufführung von „Breviano“ weder den Aficionado des Flamenco noch den Tanzfreak. Die Qualität früherer Stücke wie „Wad-ras“ oder, zuletzt, das von einer Reise nach Marokko beeinflusste „Sarab“ erreichen Baeza und Sánchez diesmal nicht. Vielleicht hat die Zeit nicht ausgereicht, die Verwerfungen des Stücks einzuebnen, und eine Überarbeitung würde gut tun.

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