Tom Bosma

Der letzte Mohikaner, Charaktertanz-Lehrer und Choreograf

Den Haag, 10/11/2008

Ich war schon ganz früh vom Charaktertanz begeistert. Als ich in Basel gearbeitet habe, war dort Waslav Orlikowsky Direktor und Choreograf. Er hat mit uns alle großen traditionellen Ballette zur Aufführung gebracht. Natürlich waren in „Schwanensee“, „Dornröschen“ usw. immer Charaktertänze, ich habe sie geliebt! Als ich in den 80er Jahren angefangen habe, in Den Haag zu unterrichten, habe ich einen der einzigen westeuropäischen Charaktertanz-Lehrer kennen gelernt. Wenn er 70 bis 80 Schüler auf der Bühne in seinen rumänischen oder jugoslawischen Suiten in Szene setzt, so genau, so rhythmisch und so tänzerisch, dann bin ich voller Bewunderung! Für mich ist Tom Bosma der letzte Mohikaner des Charaktertanzes und ich bin nach Den Haag gefahren, um ihm meine sechs Fragen zu stellen.

Tom Bosma war 1968 Tänzer in dem jugoslawischen Tanztheater „Oro“ und von 1970-81 am International Dance Theater in Amsterdam. Seine Studienreisen wurden vom holländischen Kulturministerium gefördert und haben ihn u.a. in die Städtischen Ballettschulen in Belgrad, Sofia, Warschau, Gdansk und Bukarest geführt, außerdem in die Bolschoi-Ballettschule, ins Choreografische Institut G.I.T.I.S., in die Schule von Igor Moissejew und ins Städtische Choreografischen Institut Kiew.

Seit 1973 ist er Charaktertanz-Lehrer und Choreograf am Koninklijk Conservatorium in Den Haag und war als Gastlehrer und Choreograf an der Royal Ballet School London, der John-Cranko-Schule Stuttgart, der Ballettschule John Neumeier in Hamburg, der Heinz-Bosl-Stiftung München, der Icelandic Balletschool Reykjavik, am Institut del Teatre Barcelona, am Liceul de Coregrafie Bukarest, am Conservatoire de Lyon, der Dance Academy of the Hacettepe University Ankara, an der Ecole supérieure de Danse du Québec in Montréal, der Yuu Kikaku in Tokio und an der Hong Kong Academy for Performing Arts. Am 24.10.2008 findet die Premiere von „Schwanensee“ vom Koninklijk Ballet van Vlaanderen in Antwerpen in der Choreografie von Marcia Haydée statt und die Charaktertänze stammen von Tom Bosma.

Sein Unterricht macht vor allem Freude. Es dauert nicht lange und man kann auf seinem Stuhl nicht mehr sitzen bleiben und möchte mitmachen! Die Schüler am Koninklijk Conservatorium haben zwei Mal in der Woche 75 Minuten Charaktertanz. Die erste halbe Stunde ist Stangenexercise, sehr technisch. Er fragt immer wieder, wie die Übungen heißen, aus welchem Land sie kommen, wie die Hauptstadt dieses Landes heißt, welche Musik, welcher Komponist, welcher Takt etc. - so wissen die Schüler ganz schnell sehr viel über Land, Musik und Traditionen. Die Mitte fängt dann mit sehr tänzerischen Port de bras und vielen Koordinationsübungen an. In der letzten halben Stunde werden Tänze einstudiert und die dazu passenden Lieder in der jeweiligen Sprache gesungen. Am Ende des Unterrichts kommt die Verbeugung und alle Schüler geben zum Abschied dem Lehrer die Hand und bedanken sich.


Sechs Fragen an die „Lehrer, die uns bewegen“

1. Wie und wann sind Sie zum Unterrichten gekommen?

Mein Vater war Charaktertanz-Lehrer. Seit ich denken kann, war ich im Ballettsaal in seinem Unterricht. In den Ferien sind wir immer nach Rumänien, Bulgarien oder Jugoslawien gefahren, da hat mein Vater mich immer in den Folklore-Unterricht gebracht. Ich war immer davon überzeugt, dass ich Lehrer werde. Ich habe in den 70er Jahren angefangen, am Internationalen Tanztheater zu unterrichten.

2. Welche Meister haben Sie nicht vergessen? Und warum?

Theodor Vasilescu, Rumänien.
Igor Moissejew, Russland.
Sie sind für mich Vorbilder. Alle zwei haben auf höchstem Niveau Material aus der Folklore künstlerisch im Bühnentanz zum Leben erweckt.

3. Sind Sie der Meinung, dass man, das Lehren lernen kann? Wenn ja, wie sollte Ihrer Meinung nach so einen Lehrgang aussehen?

Ich glaube nicht. Ich denke man muss dafür geboren sein.

4. Muss für Sie ein Lehrer professionell getanzt haben?

Auf jeden Fall!

5. Was ist für sie das Wichtigste zum erfolgreichen Unterricht?

Inspiration! Ich finde, es ist immer ein Vergnügen, einen Unterricht zu geben. Ich brauche inspirierte Schüler und einen inspirierten Pianisten. Ich probiere immer meinen Unterricht sehr positiv und mit viel Inspiration zu geben. Wenn das alles zusammenkommt, ist der Unterricht ein Erfolg.

6. Welche Korrekturen sollen Ihre Schüler nicht vergessen?

„Tanzfreude“! Tanzen muss Freude sein und das muss ich sehen! Das ist in meinem Fach das Wichtigste und ich möchte, dass meine Schüler das nie vergessen.
 

Kommentare

Noch keine Beiträge