Melancholischer Langweiler

„Maybe forever“ von Meg Stuart und Philipp Gehmacher bei der Tanzplattform

Hannover, 25/02/2008

Meg Stuart, breites Kreuz, muskulöse Arme und Beine, schaut nicht aus wie eine Frau, die leicht etwas umhauen kann. Dennoch sorgt sie in dem Duo „Maybe forever“ mit Philipp Gehmacher für die sensibleren, differenzierteren Momente, während ihr hochgewachsener Partner mit reduzierterem Bewegungsvokabular eindimensionaler wirkt. Eingedampft auf die wesentliche Idee, handelt der Abend von zweien, die nicht zueinander kommen, aber auch nicht voneinander lassen können. Eine uralte Geschichte, doch ist sie immer wieder neu, aktuell.

Niko Hafkenscheid steuert die Live-Music mit E-Gitarre und Gesang bei. Er begnügt sich in den Songs – u.a. „Maybe forever“ – und bei den instrumentalen Soli mit sanften, minimalistisch wiederholten Melodielinien und sehr kargen Harmonien. Das lullt mehr ein als es anregt, bleibt flächig, positiv gesprochen: meditativ. Die Charaktere profilieren sich erst nach dem einleitenden Teil, in dem sich die zwei aus der sitzenden Position zur stehenden empor arbeiten, ihre eigenen Körper zu erkunden scheinen. Selten verschlingen sich beide zu einem kompakten Klumpen, der sich verschiebt, ohne dass erkennbar wäre, wer zieht, wer sich ziehen lässt. Dazu entwickelt sich aus Blubbern über Knacken, Dröhnen, hellem Glöckchenklang, schließlich Krächzen wie von Möwen und Motorengeräuschen eine akustische Begleitung (Musik: Vincent Malstaf) wie bei einer Morgendämmerung, ein schwach leuchtender Scheinwerfer funzelt über der Szene wie eine kraftlose Sonne.

Links liegt ein flaches Treppenpodest, im Hintergrund ein riesiges Bild mit Pusteblumen und Farnen, das im Laufe der Vorstellung von Schwarzweiß zur Farbe wechselt und wieder zurück. Links und rechts davon im Halbkreis Vorhänge, aufgezogen öffnet sich ein erweitertes Spielfeld, vergrößert sich die räumliche Entfernung zwischen dem Duo, (Bühnenbild, Kostüme: Janina Audick), was besonders bei dem kurzen Abschnitt auffällt, in dem sich beide synchron agieren. Mit sehr lebendiger, fein dosierter Mimik spricht sie ins Mikrophon von einer Beziehung, in der sie sich vortastet („I wish I were you“), wieder zurückzieht („I take it back“). „I didn’t call you for three years“ spricht nicht für eine durchgehendes Verhältnis. Ihre schwarze Macho-Lederjacke knarrt, wenn sie die Arme wie tastend ausfährt, nach oben und unten führt. Die Bewegungen entwickeln eine eigene Erweiterung des Gesagten. Die Umarmungsgeste bei den Worten „close to you“ verstärkt die Sehnsucht körperlich. In ihrer erotisch aufgeladenen Androgynität wirkt Stuart kraftvoll und zugleich verletzlich.

Dieser Zwiespalt zieht sich durch das Stück. Sie trägt einen selten hässlichen knielangen Rock, gelblichen Sweater und Pumps, als wolle sie sich im Unscheinbaren verstecken, später, wie gestärkt, erscheint sie in schwarzen Hosen und Hemd. In einer Sequenz verklammern sich ihre Arme um ihren Körper, wie in einem Kampf, sich frei bewegen zu können. Schwierig - zeigt ihr Stocken, Abbrechen, Verkrampfen. Dennoch umgibt sie keine abgrundtiefe Verzweiflung, etwas Spöttisches scheint mit zu schweben, eine Komik, die sich nicht todernst nimmt. Jenseits der Realität scheint er wie ein Tanzbär mit schaukelndem Gang durch die Szene zu stapfen. Beine etwas nach innen gedreht, festgefrorener Gesichtsausdruck, hochgezogene Schultern signalisieren eine fast autistisch abgekapselte Persönlichkeit. Zögerlich streckt er einen Arm aus, als sei die Umgebung feindlich. Aus der eingebogenen Hand recken sich ein, zwei Finger hervor. Als könne er nicht stehen, legt er sich unvermittelt auf den Boden. In der minimalistischen Wiederholung scheint er sich zu spüren, wenn auch sein Blick ratlos bleibt.

Das Rätsel, warum sich die Frau für diesen melancholischen Langweiler interessiert, löst sich nicht auf bis zum Schluss: Er deklamiert stockend einen Text, fast spaßig in seinem stoischen Ernst, rührend in seinem Bemühen um Sprache. Über die Lautsprecher breitet sich Knistern aus, immer stärker wie bei einer Schellackplatte. Sie taucht im roten, silbrig flimmernden Kleid auf, an der Seite von Hafkenscheid, und betrachtet Gehmacher. Jetzt kommt die Auflösung für was auch immer, denke ich. Aber das Licht wird weggezogen. Der Schluss bleibt offen.

Immer wieder ärgerlich, nicht zuletzt, weil manche Sprachpassagen akustisch nicht verständlich sind: Auf dem Waschzettel zur Aufführung sind die englischen Song-Texte nicht abgedruckt, geschweige denn die Worte, die sie und er sprechen.

www.tanzplattform2008.de

Kommentare

Noch keine Beiträge