Balé de Rua

Die brasilianische Truppe gastiert in Köln

Köln, 06/07/2009

Die Tänzer und Percussionisten der brasilianischen Compagnie „Balé de Rua“ (Ballett der Straße) werden sich derzeit in Köln sehr heimisch fühlen: Temperaturen wie in Brasil tropical. Dazu noch die heißen brasilianischen Rhythmen, die diese Tanztruppe mitgebracht hat, und schon haben auch die Kölner eine Anmutung davon, wie es in den Straßen der brodelnden Mega-Metropolen Brasiliens zu später Stunde zugeht.

Mit vierzehn Tänzern, einer Tänzerin und einer temporeichen Tanz- und Percussion-Show hat „Balé de Rua“ das diesjährige Sommerfestival in der Philharmonie eröffnet. „Wir erzählen von Brasilien – unserem Brasilien“, wird die erste Szene kommentiert, in der die Tänzer in weißen Anzügen mit Borsalino-Hut selbstbewusst und auch ein wenig klischeehaft ihren erreichten gesellschaftlichen Status demonstrieren. Begonnen hat die Story der Truppe auf der Straße. Von dort stammen ihre Bewegungen, ihr Tanzstile und ihre Musik, die im harten Alltag des Überlebens auf der Straße entstanden. Etwa der Kampftanz Capoeira, den die afrikanischen Sklaven einst nach Brasilien gebracht haben, und den die Tänzer des „Balé de Rua“ mit Salti, Überschlägen und bodennaher Akrobatik perfekt in die Show einbringen.

Die Blechdose, auf der die Straßenkinder ihre Rhythmen hämmern, ist auf der Bühne allerdings von der tan-tan, einer kleinen Handtrommel mit metallischem Klang abgelöst worden. Schade, denn damit ging, ebenso wie mit den aufwändigen Kostümen, auch ein Stück Ursprünglichkeit verloren. Doch Fernando Narduchi, dem Gründer des Balé de Rua ist sehr daran gelegen, unser Bild von den ärmlichen Zuständen und der Gewalt auf der Straße zu ändern und die fröhliche Seite Brasiliens zu zeigen. Dazu werden die Szenen oft im Stil des Showbizz eines Fred Astaire aufgepeppt, fliegen die Hüte wie ein Schwarm Vögel in die Kulisse, entfalten sich riesige Blüten in Neonfarben, wabern Kunstnebel und blitzen Spots mit dramatischen Lichtpunkten. Die Show führt in einem bunten Bilderreigen quer durch die wechselhafte Geschichte Brasiliens: Von der Eroberung bis zur Sklavenhaltung, von religiösen Kultriten bis zur Landerschließung. „Unser Land ist ein multicoloured Land“, wird kommentiert.

Dieses Völkergemisch spiegelt auch die Truppe selbst wider. Sie bringen einen Mix von Tanzstilen der weltweiten Street-Dance-Bewegung vom Hip-Hop bis zum Breakdance auf die Bühne und ergänzen damit den landestypischen Samba. Dass die harten Beats der Percussion den Samba-Klassiker „Brazil“ dabei regelrecht erschlagen, scheint in Kauf genommen zu werden.

Bei den Bewegungen, dominieren Schnelligkeit und Technik. Einige der jüngeren Tänzer sind wahre Talente des Popping und Locking, bei dem aus den angespannten Muskeln ein heftiger Ruck in den Körper des Tänzers erfolgt. Andere erhalten Szenenapplaus beim Bopping, dem Walken von Brust- und Bauchmuskulatur. Ein Breakdancer dreht auf dem Kopf stehend auf einer kleinen Platte, die von anderen hochgestemmt wird. Grandios. Ob Street Dance oder Mambo, Moonwalk oder Samba: alles wird begleitet von einer heftigen Percussion bis hin zur dicken Trumm (wie sie auch der kölsche Karneval kennt). Die Inszenierung suggeriert damit eine ständige Karnevalsstimmung, die genau das, was Fernando Narduchi vermeiden will, auf andere Weise wieder beschwört: ein Land nur nach Klischees zu beurteilen. Schade, dass dieser Gute-Laune-Hype den Blick auf das Besondere dieser Truppe verdeckt: Hier tanzen, singen, spielen Leute, die von der Straße gekommen sind und hier ihr eigenes Leben, ihre eigene Geschichte auf der Bühne thematisieren. Diese Authentizität aber geht durch die übertriebene Buntheit der Show verloren.

70 Min., keine Pause. Täglich bis 12. Juli in der Kölner Philharmonie

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