Daniel Goldins Tanzabend „Lachrimae mundi“

Tränen der Trauer und Freude

Münster, 15/02/2009

Daniel Goldins „Lachrimae mundi“ (Tränen der Welt) ist ein meisterhaftes, hoch ästhetisches Gesamtkunstwerk. Das Tanzstück von 2000 erwies sich bei seiner frenetisch gefeierten zweiten Neueinstudierung am Wochenende in Münsters Stadttheater als repertoirefähig. Natur und Kunst bilden eine raffinierte Symbiose. Sprechende Hände und wogende, hüpfende Körper voller Eleganz, Melancholie und Heiterkeit konterkarieren früh- und spätbarocke Musik und Naturgeräusche. Zu Bachs Schlusschoral der Johannes-Passion („Ruht wohl, ihr heiligen Gebeine!“) etwa zwitschern Vögel. Die Grabesschwärze der leeren Bühne hellen nach und nach Vogelnest-artige Strohbällchen, Rosenblätter und Daunenfedern auf.

In Schemen, Schatten und Lichtgestalten verwandelt Reinhard Hubers Lichtdesign die fünf Männer und fünf Frauen des Münsterschen Ensembles, die sich in Gaby Sogls vornehmen roten und weißen Gewändern in den Ensembles mit oftmals stilisierter Gestik wie Schachfiguren bewegen, aber in Soli und Duetten Gefühlen von Weltschmerz bis Liebeslust freien Lauf lassen. Für die ungewöhnliche Schreibweise des Titels („lachrimae“ statt des lateinischen „lacrimae“) zeichnet der englische Komponist John Dowland verantwortlich. Die Tanzmusiksammlung aus 21 höfischen Tänzen, Liedern und „sieben leidenschaftlichen Pavanen“ des komponierenden Lautenisten inspirierte den argentinischen Choreografen. Eine Pavane bildet die Begleitung eines Pas de deux, den die aparte Jennifer Ocampo Monsalve und Ardan Hussain zwischen Liebessehnsucht und Macho-Gier tanzen. Todessehnsucht und Sterben tanzt Nora Ronge, eingezwängt in eine steife barocke Robe mit Reifrock, berückend elegisch, geradezu kindlich heiter Antonio Rusciano einen verliebten Jüngling. Surrealistische Traumbilder dazwischen: eine weißverhüllte „Puppe“ wälzt sich in ihrem Kokon herein und stirbt. Eine Braut (Alice Cerrato) will dem Bräutigam in die Arme eilen, wird aber an ihrer Schleppe von unsichtbarer Hand immer wieder zurückgezogen. Eingerahmt wird der zarte Bilderbogen von Ensembles auf fröhliche Lauten- und Orchester-Gagliarden John Dowlands. Ein veritabler „kleiner Klassiker“ deutschen Ausdruckstanzes in der Folkwang-Tradition.

Nächste Vorstellungen im Kleinen Haus der Städtischen Bühnen Münster: 17. und 20. Februar 2009

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