Es gibt keine Fixpunkte

„In Räumen denken“, die neue Ausstellung des Deutschen Tanzarchivs

Köln, 29/12/2009

Was wäre der Tänzer ohne den Raum, der seine Bewegung umgibt? Sicher, das ist eine rhetorische Frage, denn ohne Raum kein Tanz. Doch der Blick hat sich verändert. Zwar bietet das klassische Ballett weiterhin die traditionelle Zentralperspektive, der zeitgenössische Tanz aber hat längst den Raum als Gestaltungselement und Variable erobert. Tanzräume können heute auch eine Landschaft oder öffentliche Plätze sein. Anschaulich informiert darüber die Ausstellungsinstallation „In Räumen denken“, die das Deutsche Tanzarchiv in den Räumen des Tanzmuseums Köln noch bis September 2010 zeigt. Sie versteht sich, wie Kurator Thomas Thorausch erläutert, als zweiter Teil einer Trilogie, die zuletzt mit „Fatal Attraction“ den Blick auf den Menschen, jetzt auf den Raum und in 2010 auf den Körper richtet. Mit zahlreichen ergänzenden Angeboten, Filmabenden, Vorträgen, Kinderaktionen soll das Thema Raum wie ein Spielzeitthema umfassend präsentiert werden.

Den Boden des Ausstellungsraums im Tanzmuseum überziehen Linien wie aus einem Schnittmusterbogen: choreografischen Partituren gleich, die zum Thema führen. Vorgestellt wird eine Auswahl von Bildern, Graphiken, Fotos, Filme und Original-Skizzen, die bis auf eine leihweise Zeichnung der Choreografin Sasha Waltz allesamt aus den Beständen des Tanzarchivs stammen. „Ich denke an den Raum, noch bevor ich an Bewegung denke“, wird Sasha Waltz zitiert, die schon auf Kippbühnen, im öffentlichen Raum oder durch alle Räume der Berliner Schaubühne tanzen ließ.

Gezeigt werden Wege-Notationen aus dem Skizzenbuch von Dore Hoyer, die mit ihrem Ausdruckstanz den Raum in Bewegung brachte. Rudolf von Laban ist mit seinem Ikosaeder vertreten, einer vielseitigen geometrischen Figur, die für ihn Basis der Raum- und Bewegungsstrukturierung wurde. Mit dabei auch Altmeister Merce Cunningham, der wie kein anderer in seinen Tanzstücken mit dem Raum experimentierte, seit er Albert Einsteins Satz „Es gibt keine Fixpunkte im Raum“ gelesen hat. Auch William Forsythe als einer der derzeit experimentellsten Choreografen fehlt nicht. In seinem Stück „The Defenders“ (2007) wird der Raum regelrecht zusammengepresst, so dass die Tänzer gebückt tanzen. Kurze Filmeinspielungen von historischen und zeitgenössischen Tanzereignissen illustrieren den Wandel des Raumes für den Tanz. Ausgestellt wird auch Valie Exports Arbeit „Raumsehen-Raumhören“, ein Video von 1974 zu Wahrnehmungs-veränderungen des Raums. Damit wird diese ungewöhnliche Installation auch für ein kunstinteressiertes Publikum interessant.

„In Räumen denken. Bühne – Tanz – Traum“ Eine Ausstellung des Deutschen Tanzarchivs vom 09.10.2009 bis September 2010. Öffnungszeiten: täglich außer Mittwoch 14 bis 19 Uhr, Eintritt: 4,50 € (ermäßigt 2 €), montags freier Eintritt

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