Eine Stiftung für den sanften Übergang

Stiftung Tanz – Transition Zentrum Deutschland gegründet

Hamburg, 22/06/2010

Dass am 21. Juni im Hamburger Ballett-Zentrum nur vier Journalisten zur schon seit gut zwei Wochen bekannten Pressekonferenz zusammenkamen, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Tatsache, dass Themen, die mit Tanz zu tun haben, selbst in der Tanz-Hochburg Hamburg nicht immer mit gebührender Aufmerksamkeit gewürdigt werden. Und das, obwohl hier eine illustre Runde zusammengekommen war, um eine bereits am 19. Januar 2010 gegründete Institution nunmehr offiziell aus der Taufe zu heben, die in der Tanzwelt seit Jahrzehnten herbeigesehnt wird: Die „Stiftung Tanz – Transition Zentrum Deutschland“.

Anders als Leistungssportler nämlich, denen während ihrer Karriere sage und schreibe 24 von der Bundesregierung bezahlte Laufbahnberater zur Seite stehen, um den Übergang vom Profisportler in ein normales Berufsleben zu erleichtern, können sich Tänzer hierzulande noch nicht einmal an einen einzigen kompetenten Berater wenden. Nach Beendigung der aktiven Bühnenkarriere sitzen nicht wenige von ihnen, denen sonst Abend für Abend mit Standing Ovations gehuldigt wurde und die in der Tanzwelt Stars waren, beim Arbeitsamt einem ignoranten Sachbearbeiter gegenüber, der ahnungslos fragt: „Und was haben Sie tagsüber getan?“ Oder: „Wieso haben Sie während des Tanzens nicht schon etwas Richtiges gelernt?“ Eine durch und durch entwürdigende Situation und ein Beweis dafür, „wie wenig in der allgemeinen Öffentlichkeit bekannt ist über ein Tänzerleben“, wie Sabrina Sadowska, Vorsitzende der Stiftung, selbst ehemalige Tänzerin und seit 1999/2000 Stellvertreterin von Ballettdirektor Ralf Dörnen beim BallettVorpommern.

Die Gründung des Transition Zentrums soll diesem Zustand jetzt endlich ein Ende machen. Bezuschusst mit einer Anschubfinanzierung von knapp 60.000 Euro aus den Fördermitteln von Tanzplan Deutschland wurde die „Stiftung Tanz“ in Berlin etabliert. Weitere Zustifter sollen über den Vorstand und das Kuratorium gewonnen werden. Gesucht wird nun ein Projektleiter, der ein Netzwerk aufbaut, um den Tänzerinnen und Tänzern als Anlaufstelle zu dienen und Lotse zu sein auf dem Weg in eine neue Existenz. „Das Transition-Zentrum soll außerdem die Erfahrungen aus dem In- und Ausland bündeln und den Tänzern zugänglich machen, und es soll eine Schnittstelle sein zu anderen Institutionen, z. B. zur Bundesagentur für Arbeit und einschlägigen staatlichen Stellen“, betont Sabrina Sadowska. Eine Arbeit, die die bestehenden Ballett-Kompanien nicht leisten können: „Es ist wichtig, dass sich Tänzer ganz auf den Tanz konzentrieren können und sich keine Sorgen machen müssen um das, was danach kommt“, betont Hamburgs Ballett-Intendant John Neumeier, der dem 16-köpfigen Kuratorium der Stiftung Tanz vorsteht. „Dafür sorgt das Transition-Zentrum, und deshalb werde ich dieses Projekt unterstützen, soweit und solange ich kann.“

Gerade Deutschland hat so ein Zentrum dringend nötig – hier gibt es die meisten Tanzgruppen der Welt, insgesamt arbeiten 1300 Tänzer in einem festen Engagement an deutschen Bühnen, ganz abgesehen von den zahllosen freien Gruppen. Disziplin, Einsatzfreude, Teamgeist, Leistungsbereitschaft und schnelle Auffassungsgabe kultivieren alle Tänzer in ihren aktiven Berufsjahren – und nicht ohne Grund sind sie als Umschüler meistens die Besten ihrer Kurse. Ideale Bedingungen also für den Start in ein neues Berufsleben. Für die richtige Orientierung und Unterstützung beim Marsch durch den Paragraphendschungel soll ab sofort die Stiftung Tanz sorgen.

„Wir tanzen alle an den Abenden und an den Feiertagen und sind dafür da, dass sich die Menschen bei Kunst und Kultur erholen können“, sagt Sabrina Sadowska, „wir geben uns in diese Aufgabe, wir inspirieren die Menschen – und dann kommt der Tag, wo wir umgekehrt die Hilfe der Bevölkerung brauchen, damit wir den Wechsel in ein anderes Berufsleben schaffen. Da ist es doch nur legitim und normal, dass wir in diesem Anliegen unterstützt werden.“

Dem Vorstand der Stiftung gehören neben Sabrina Sadowska noch an: Inka Atassi vom Verein Dionysos zur Förderung freier Theaterprojekte; Ulrika Schmidt, Ballett-Betriebsdirektorin beim Hamburg Ballett; Georg Graf zu Castell-Castell, Rechtsanwalt und Notar in Berlin sowie Marc-Aurel von Dewitz von der Deutschen Bank, Berlin. Das Kuratorium besteht neben John Neumeier aus Stefan Moser, Tänzer und Personalratsvorsitzender beim Bayerischen Staatsballett München; Dr. Cornelia Dümcke, Kulturökonomin, Projektentwicklerin und Inhaberin der Agentur „Culture Concepts“, die auch die bislang erste und einzige Studie über die Situation der Tänzer in Deutschland erarbeitet hat; Kim Ry Andersen, Direktor der Dresdner Musikfestspiele; Rüdiger Bloch, Intendant i.R.; Rolf Bolwin, Präsident des Deutschen Bühnenvereins in Köln; Barbara Friedrich von der Uferstudios GmbH, Berlin; Rolf Hunck von der Deutschen Bank, Hamburg; Heather Jurgensen, langjährige Erste Solistin beim Hamburg Ballett und künftige Co-Direktorin (zusammen mit ihrem Mann Yaroslav Ivanenko) des Balletts in Kiel; Adil Laraki, ehemaliger Tänzer beim Ballett Essen und Landesvorsitzender NRW der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA); Wolf Mirus, Leitender Regierungsdirektor i.R. und Diplom-Psychologe, München; Gabriele Naumann-Maerten, Kulturattaché der kanadischen Botschaft; Prof. Dr. Oliver Scheytt, Jurist und Geschäftsführer der RUHR.2010 GmbH; Dr. Liane Simmel, Ärztin, ehemalige Tänzerin und Vorstand von TaMed e.V., München; Martin Schläpfer, Ballettdirektor an der Rheinoper Duisburg/Düsseldorf; Prof. Dr. Ralf Stabel von der Staatlichen Ballettschule und Schule für Artistik, Berlin. Ehrenmitglied des Kuratoriums ist die „Grande Dame des Tanzes“, Nele Hertling von der Akademie der Künste in Berlin.

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