Der Ausnahmezustand wird zur Kunstaktion

Die Tanztruppe „Public Movement“ sorgte an der Heidelberger Universität für Verunsicherung

Heidelberg, 26/07/2010

Sind Sie für oder gegen den Bau weiterer Moscheen? Für Israel oder für Palästina, für das Vergeben oder das Vergessen? „Public Movement“, eine Performance-Gruppe aus Israel fordert auf öffentlichen Plätzen das Publikum mit solchen und anderen Fragen heraus. Ungewohnt ist auch ein Sicherheitscheck am Eingang der Heidelberger Universität. Hier wurde das Publikum, bevor es in den Hörsaal 14 ging, abgetastet und mit einem weißen, gelben, grünen oder roten Aufkleber gekennzeichnet. Im Hörsaal wies die Truppe die Zuschauer in die den Farbaufklebern entsprechenden Sitzreihen – aussichtslos, sich zu weigern. Einige Paare wollten unbedingt zusammen sitzen und mussten dann schweren Herzens getrennte Plätze einnehmen. Nach einem Vortrag über die universitäre Rechtsordnung, stürmten dunkel gekleidete Performer auf Kommando den Hörsaal durch gewaltsam wirkende Bewegungsformationen. Später rückte die Heidelberger Polizei an – ganz real und doch zugleich fiktiv. Sie nahm die Tänzer auch gegen ihren körperlichen Widerstand fest. Und auch das Publikum musste sich auf eine polizeiliche Befragung wegen unsachgemäßen Verhaltens einstellen – ein Entkommen war unmöglich.

„Sammelplatz/University Exercise“ hieß die eigens für Heidelberg entwickelte Aktion. Sie ist Teil der zweijährigen Kooperation zwischen dem Teatron Beit Lessin aus Tel Aviv und dem Heidelberger Theater. Künstler aus Israel und Deutschland erarbeiten für dieses Projekt sechs Uraufführungen. Die Akteure von „Public Movement“ interessieren sich besonders für die kollektiven Vorstellungsbilder einer Gesellschaft. Dabei spielen sie mit Fragen an die Zuschauer zu aktuellen politischen Debatten oder zu sozialen Normen und ihren Übertretungen. Die Entscheidung „für oder gegen“ liegt nicht immer bei einem selbst. Sollte sich eine Gesellschaft stolz oder schuldig fühlen? Ist Bildung entscheidend für das Individuum oder die Gesellschaft? Schließlich wechselt man im Sog des Kollektivs auch mal unentschlossen die Seiten. Und genau diese unbedachten Momente macht das Ensemble von „Public Movement“ offensichtlich.

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