Dem inneren Tanzen eine choreografische Form geben

Lässt sich im zeitgenössischen Tanz noch etwas Neues entwickeln? Vom verweigernden Stillstand bis zum physisch extrovertierten New Dance ist ja schon alles dagewesen. Wohl aus dieser Sachlage heraus versucht der Münchner Stephan Herwig, langjähriger Tänzer in Micha Puruckers Kompanie und seit 2006 eigenständiger Choreograf, einem inneren Tanzen choreografische Form zu geben. Sein (von der Stadt gefördertes) neues Stück „Somewhere“ (irgendwo) liegt zwischen Bewegungsrecherche und tänzerischer Selbsterfahrung (Schwere Reiter).

Das Auslegen der weißen Tanzteppichbahnen zu Beginn ist kein Zeitfüller. Fläche und Raum werden so pointiert ins Bewusstsein des Zuschauers gerückt. Dann nehmen Herwig und seine drei Mittänzer diesen Raum in Besitz mit stillen Körperposen und, einzeln oder zu viert, mit ruhigem Abschreiten von Diagonalen und anderen Raumlinien. Dabei gibt jeweils ein ausgestreckter und im hohen Kreis geführter Arm die Schrittrichtung und -änderung vor. Das ist zeitgenössisches Basisvokabular wie es unter anderen die US-Postmoderne Trisha Brown in den 70er Jahren prägte. Aber die museale Anmutung wird entkräftet durch die extreme Schlichtheit und Konzentration der Bewegung. Man spürt: da meint es einer ernst. Und so lässt man sich ein auf dieses Ritual, das sich von seiner mönchischen Versenkung nach und nach steigert zu komplexeren Aktionen: In einer Gruppen-Kontaktimprovisation flechten sich die vier Tänzerkörper wie in Zeitlupe ineinander. Formen verwachsene Gebilde. Entflechten sich wieder, um anschließend fast wie in schamanistischer Trance in ekstatischen Bewegungs-Soli jegliche körperliche Begrenzung in Gelenken und Knochen zu überwinden. Die Musiken (Aretha Franklin, Machinefabriek, Fuck Buttons) werden verhalten, wie aus weiter Entfernung zugespielt, schwellen an und verebben wieder, im „Irgendwo“ – wie Herwigs getanzte Meditation.

noch 18. und 19. September, 20 Uhr 30; Dachauerstraße 114; Karten 089/32 49 42 70