„Dambë“ von Salia Sanou (Compagnie Salia ni Seydou), Tanz: Salia Sanou, Musik & Gesang: Maaté Keita

„Dambë“ von Salia Sanou (Compagnie Salia ni Seydou), Tanz: Salia Sanou, Musik & Gesang: Maaté Keita

Der Staub der Heimat

Zeitgenössischer Tanz aus vier Ländern Afrikas lädt ins Hebbel am Ufer

Berlin, 09/06/2011

Auch wenn zeitgenössischer Tanz aus Afrika bei uns des öfteren zu sehen war: Dass Europa wirklich versteht, was Afrika darin bewegt, was es mitteilen möchte, bedeutet das noch lange nicht. Die afrikanischen Tänzer fühlen sich einem kolonialisierten Blick ausgesetzt und bemüßigt, dem zu entsprechen; wir sehen ihre Arbeiten aus der Tradition unserer Tanzentwicklung, und so beurteilen wir sie auch. Einen Schritt zu besserem Verständnis leistet derzeit das Hebbel am Ufer. Dort stellen sich in einer Auswahl von Alex Moussa Sawadogo an sechs Tagen fünf Kompanien aus vier Ländern des schwarzen Kontinents vor und bieten damit Einblicke in Tendenzen. Wie eng dort Musik, Gesang und Tanz zu gemeinsamem Rhythmus verschmelzen, zeigte schon das Gastspiel am Eröffnungsabend.

Weiße Holzpfosten auf der Diagonalen in gedämpftem Licht bilden ein Gasse, links sitzt der Perkussionist, die vier Tänzer, auch eine Frau unter ihnen, schimmern im Dunkel auf. Sichtbar ist nur der, der später Laute produzieren wird, die Rhythmus geben: Er hat sich in der Gasse einen Stuhl erobert. Um dies Requisit der Sesshaftigkeit entbrennt ein teils aggressiver Kampf. Doch auch der Raum verändert sich immer wieder durch Umgruppieren der Pfosten, wobei sie geräuschvoll aufgestampft werden. Daraus entsteht zusätzlicher, bisweilen bedrohlicher Rhythmus. Wenn die Stäbe zum Gitter werden, hinter dem sich Gefangene sammeln, sich der Sänger fast akrobatisch in trancehafte Rage versetzt, entstehen nachwirkende Bilder. „Empreintes/On posera les mots après“, „Abdrücke/Geredet wird später“, nennt DeLaVallet Bidiefono, was er mit seiner Compagnie Baninga erarbeitet hat, was in der nächtlichen Atmosphäre von Brazzaville angesiedelt ist und das Befinden von Jugendlichen spiegeln möchte, die im kongolesischen Bürgerkrieg aufgewachsen sind. Leid, Gewalt und Schwermut klingen an, Mut auch und Selbstbewusstsein, das Leben zu gestalten: Trotzig ballen sich Fäuste, werden die Pfosten wie zum Wurf gehoben, ehe das Licht erlischt. Dem vulkanischen Afrika, wie es sich hier auf dem Weg zu sich präsentiert, traut man noch viele Siege zu.

Birst Bidiefonos Mannschaft fast vor Elan, so hat der Kenianer Opiyo Okach einen anderen Weg gewählt, um sich auszudrücken. Sein Solo „Border Border Express“, das dem Festival gleichsam seinen Titel lieh, ist an der Grenze zwischen Kenia und Uganda situiert, wo täglich Händler mit Fahrrädern ihre Waren auf die andere Seite transportieren. Eher minimalistisch fällt seine auf Posen reduzierte Bewegung aus, der sich Live-Musik und ein bewusst unscharfes Video jenes Grenztransfers addieren. Mit weißrotem Absperrband umwickelt, wird sein nunmehr behinderter Körper zur Sperrfigur, könnte indes auch blutgetränktes Mahnmal sein. Ambitioniert ist das Solo, stellt jedoch zu plakativ aus, statt künstlerisch aufzuarbeiten. Das gelingt berührend Salia Sanou von der Compagnie Salia Ni Seydou aus Burkina Faso in „Dambé“. Eine rote Stange, Nabelschnur wohl, Steinstapel und der wunderbare Gesang von Maaté Keita rufen Sanou Eindrücke der Kindheit ins Gedächtnis. Auf Stein bettet er das Haupt, ein Stein auf dem Brustkorb wird pochendes Herz, auf dem Nacken zur lieben Last; aufwirbelnder Steinstaub klebt an ihm, so wie ihm der Gesang als akustische Heimat in die Glieder fährt. Vom Band klingen dazu vertraute Geräusche des Dorflebens.

Wie Sanou hat auch sein Landsmann Seydou Boro in Frankreich bei Mathilde Monnier getanzt, ehe beide ihre Kompanie gründeten. Boro wird zusammen mit fünf Musikern in „Concert d’un homme décousu“ der komplexen menschlichen Persönlichkeit nachfahnden. Mit zwei Soli wird Nelisiwe Xaba aus Südafrika Europas Sicht auf die afrikanische Frau thematisieren. Konzert, Dokfilm über neun afrikanische Choreografen sowie Fotoausstellung runden das kleine, aber gediegene Festival.

www.hebbel-am-ufer.de

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