Elena Pankova in „Dornröschen“ von Rosina Kovács

Elena Pankova in „Dornröschen“ von Rosina Kovács

Münchens zweite klassische Kompanie

Rosina Kovács über ihr Ballet Classique München, das ganz Bayern mit klassischem Ballett versorgt

München, 13/06/2011

Rosina Kovács hatte einen Traum – sie wollte eine freie klassische Kompanie gründen. Und das in der Hoch-Zeit des zeitgenössischen Tanzes! An städtische/staatliche Förderung war nicht zu denken. Aber Rosina Kovács konnte auf ihre exzellente Tanzausbildung an der Akademie im rumänischen Cluj bauen, vor allem auch auf ihre innere Kraft, mit der sie als Tänzerin die Stufen der Ensemble-Hierarchie genommen hatte. Als exzellente Technikerin von ausgesprochen weiblicher Ausstrahlung gehörte sie mit (neo-)klassischen Rollen und ihrer dramatischen Potiphar in John Neumeiers „Josephs Legende“ in den 80er Jahren zu den Vorzeige-Ballerinen des Balletts der Bayerischen Staatsoper. Nach Abschluss ihrer aktiven Karriere im Münchner Gärtnerplatztheater wagte sie 2000/01 tatsächlich ihr „Ballet Classique München“ (BCM). In der bayerischen Landeshauptstadt sprach Malve Gradinger mit ihr.

Frau Kovács, zu einer Zeit, wo an den Theatern landauf landab die Sparte Ballett durch Modern-Dance- und Tanztheater ersetzt wurde und die freie Szene dominiert ist von zeitgenössischen Gruppen, schien Ihre Unternehmung damals mehr als waghalsig. Was hat Sie dennoch dazu ermutigt?

Rosina Kovács: Ganz einfach die Tatsache, dass es außer dem Staatsballett in ganz Bayern keine richtige Kompanie mit klassischem Ballett gibt. Das Publikum in den kleineren Städten und Gemeinden Bayerns bekommt kein klassisches Ballett zu sehen. Von Miesbach nach München, nur zum Beispiel, ist es ein langer Weg. Nicht jeder kann nach München fahren. Also habe ich klassisches Ballett nach Fürstenfeldbruck und Haar gebracht, nach Neusäß, Ottobrunn, Pullach, Starnberg, Unterföhring, Unterschleißheim.... Ja, wir sind jetzt im Zeitalter des modernen und zeitgenössischen Tanzes. Aber man sollte deshalb nicht die Tradition beiseite schieben. In der Oper, im Schauspiel werden neben modernen Stücken doch auch immer noch die Klassiker aufgeführt. Warum sollte das nicht für die Sparte Tanz gelten?

Vor allem, da die Akademien ihre Studenten ja hauptsächlich klassisch ausbilden, und die Absolventen dann, mangels Engagements in klassischen Ensembles, keine Möglichkeit haben, ihr technisches Können „auszutanzen“. Ihr Ballet Classique schließt da offensichtlich eine Lücke, scheint, im positivsten Sinne, ein Auffangbecken für „Ballett-Tänzer“.

Rosina Kovács: Ich hatte von Anfang an die Idee, ein Forum zu schaffen für frisch diplomierte und gerade arbeitslose Tänzer, aber auch für Mütter, die nach einer Schwangerschaft langsam wieder bühnenfit werden wollen. Dann habe ich vollausgebildete Tänzer, die einen anderen Beruf ergriffen haben, nebenbei aber noch tanzen möchten. Eine meiner Tänzerinnen studiert Mathematik, eine ist bereits Rechtsanwältin, eine andere Apothekerin. Alle sind Absolventinnen der Ballett-Akademie München. Noch-Studentinnen der Akademie und Gruppentänzerinnen vom Staatsballett sind ebenfalls gastweise in meinen Produktionen dabei. Außerdem ist Gärtnerplatztheater-Tanzchef Henning Paar so großzügig, mir seine Tänzer auszuleihen. Für die Hauptrollen hatte ich schon Gäste aus Stuttgart, Leipzig und vom Staatsballett die Ersten Solisten Lisa-Maree Cullum und Alen Bottaini. Bottaini, zur Zeit freischaffend – er tanzt in der ganzen Welt –, hat gerade in meiner „Dornröschen“-Produktion im KuBIZ-Unterhaching den Prinzen getanzt. Aurora war Katarina Markowskaja, ehemals Dresdener Ballett und jetzt auch freischaffend... Ich habe mittlerweile fünfunddreißig Tänzer, die nicht immer, aber fast immer dabei sind. Für die großen Abende brauchen wir auch so viele. Mehr geht allerdings auch nicht, weil die Bühnen in den Bürgerhäusern relativ klein sind.

Sie haben sich in diesen elf Jahren ein Repertoire von sieben klassischen Abendfüllern erarbeitet: „Carmen“, „Schwanensee“, „Giselle“, den Zweiteiler mit „Paquita“ und „Les Sylphides“, „Coppelia“, „Don Quijote“ und „Dornröschen“. Wie gehen Sie choreografisch vor?

Rosina Kovács: Ich mache alle Stücke selbst. Es sind ja vorwiegend Petipa-Ballette, die ich selbst getanzt habe, als Gruppentänzerin und dann als Solistin. Und es gibt ja auch Material, DVDs, Filme auf Youtube. Da kann man sich inspirieren. Jeder Choreograf macht das heutzutage. Eine Tanz-Notation, nein, den Luxus könnte ich mir nicht leisten. Ich schaue mir die Originalchoreografie an und studiere sie dann meinen Tänzern, wenn möglich, genau so ein. Minimal kann man schon etwas verändern. Das ist auch notwendig, denn man muss die Choreografie an seine Tänzer anpassen. Es wäre nicht gut, ihnen technisch etwas abzuverlangen, was sie überfordern würde. Also vereinfache ich hier und da ein wenig, so dass die Tänzer gut aussehen und das Publikum die Veränderung auch gar nicht bemerkt. Das ist gängige choreografische Praxis.

Apropos Technik: Warum ist die klassische Technik so wichtig? Selbst zeitgenössische Ensembles, sogar das Pina-Bausch-Tanztheater trainiert klassisch.

Rosina Kovács: Es gibt ja zeitgenössische Tänzer, die keine klassische Ausbildung haben und die überzeugt sind, dass man Klassisch nicht braucht. Aber das stimmt nicht. Es ist eine notwendige Disziplin. Man muss den Körper auch mal in eine andere Richtung zwingen, auch mal in eine Auswärts-Position. Wenn man den Körper nur machen lässt, was für ihn bequem ist, dann haben wir Kindertanz. Ich habe eine ganz starke klassische Ausbildung und trotzdem hat man mich reingeworfen in John Neumeiers „Josephs Legende“, barfuß, halb nackt. Das ist eine wunderbare, aber eine sehr schwierig zu tanzende Choreografie. Und ohne dass ich je eine Stunde Jazz oder Modern genommen hatte, konnte ich das tanzen – durch meine klassische Formation. Ich habe auch die Tanztheater-Stücke von Eva-Maria Lerchenberg-Thöny getanzt. Das war schon sehr schwer für mich. Ich habe mir sämtliche Muskeln gezerrt. Aber ich denke, ohne meine klassische Technik hätte ich nicht die Sicherheit gehabt, nicht diese Perfektion herstellen können, wie sie sie verlangt hat. Eva-Maria Lerchenberg-Thöny hat ja selbst eine klassische Ausbildung. Und viele Choreografen mit einem klassischen Hintergrund sind auch gute Choreografen, weil ihre Bewegungsfantasie größer ist.

Was Ihre nicht-klassischen Rollen betrifft, muss man unbedingt noch moderne dramatische Ballette nennen, die Sie unter Tanzchef Günter Pick am Münchner Gärtnerplatztheater getanzt haben, vor allem Birgit Cullbergs „Fräulein Julie“, Kurt Jooss' „Der Grüne Tisch“, José Limóns „The Moor's Pavane“ und Günter Picks „Bernarda Albas Haus“. Aber zum Thema Budget: Wie stemmen Sie solche doch sehr aufwendigen Produktionen, ohne städtische oder staatliche Subvention?

Rosina Kovács: Ich bekomme zumindest eine kleine Unterstützung vom Bezirk Oberbayern. Aber es ist nie garantiert, dass sie uns fürs nächste Jahr bewilligt wird. Ich kann also nicht im Voraus planen. Das ist eine schwierige Situation. Und ich könnte damit ja auch keinesfalls die Unkosten decken. Ich schaffe es nur durch ein rigoroses Spar-Budget. Das heißt: meine Tänzer verzichten auf Probengeld. Proben kann ich in dem für uns alle praktisch in Stadtmitte gelegenen, sehr schönen Ballettstudio „la danza“ für eine annehmbare Miete. „la danza“-Leiterin Monica Merlo ist eine ehemalige Kollegin vom Gärtnerplatztheater, die auch bei mir mittanzt. Und letztlich komme ich nur über die Runden, weil die Pop-Kovács ein Familienunternehmen sind. Mein Mann ist im Gärtnerplatztheater engagiert, macht aber nebenbei für mich Technik, Transport, Bühnenbild und tanzt noch ein bisschen. Meine Mutter ist bei den Vorstellungen die wachsame Garderobiere. Und sie näht die Kostüme. Mit ihren 75 arbeitet sie noch sehr viel – und sie macht es auch mit Freude. Ich habe – verstaut in meiner Wohnung, auf dem Dachboden, im Keller, in Lagern – immerhin jetzt einen Kostümfundus für sieben vollständige klassische Ballette! Das ist schon eine Menge.

Neben der Choreografin und Ballettmeisterin sind Sie auch noch die Compagnie-Managerin...

Rosina Kovács: Ja, ich bin diejenige, die in Theatern und Bürgerhäusern anruft. Dann bekomme ich eine Antwort oder auch nicht. Und dann muss ich nochmal anrufen und nochmal und nochmal, bis die mir einen Termin geben, beziehungsweise bis das Bürgerhaus das Geld zusammen hat und ein Ballett bestellen kann. Wenn, nur zum Beispiel, Pullach uns jetzt einlädt, würde ich natürlich erst einmal „Dornröschen“ anbieten. Das wäre für uns leichter, weil wir es gerade im KuBIZ-Unterhaching aufgeführt haben. Aber wenn Pullach ein anderes Ballett möchte, würde ich das natürlich akzeptieren. Wir müssen folglich oft zwei Ballette gleichzeitig proben. Am 21. Oktober sind wir ja schon mit „Don Quijote“ im KuBIZ. Aber im Grunde wünsche ich mir ja noch mehr Aufführungen... Und es wäre sehr schön, wenn wir kulturpolitisch und auch in den Medien mehr wahrgenommen würden. www.balletclassiquemuenchen.de

 

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