Ein Garten für die Generation Facebook

„Secret Garden“ von Johanna Richter im Theater der Jugend/Schauburg München

Johanna Richter, geschätzter Schauburg-Stammgast, lässt die jungen Zuschauer zunächst – liebevoll jedoch – wie in einen Spiegel schauen: Da trifft in Mark Rosinskis schäbigem Hinterhof ein partysüchtiges Völkchen ein.

München, 12/03/2014

Nur nicht ins Funkloch geraten: Ob an Haltestellen, in der U-Bahn und sogar im Gehen - in jeder Nicht-Arbeitsminute kriegt das Ohr über den Knopf Dauer-Beschallung, fummelt gleichzeitig der Daumen Info-besessen auf dem Smartphone herum. Für die Generation App & Facebook, in manischem Digital-Kontakt mit der schönen Shoppingwelt und hundert Quasi-Freunden, ist Abschalten total uncool. Gesundheits-Predigten nützen da wenig. Zumindest könnte Johanna Richters „Secret Garden“ dem Publikum (ab 14 Jahren) des Münchner Theaters der Jugend/Schauburg bewusst machen, dass gelassene Ruhe durchaus seine Reize hat.

Johanna Richter, geschätzter Schauburg-Stammgast, lässt die jungen Zuschauer zunächst – liebevoll jedoch – wie in einen Spiegel schauen: Da trifft in Mark Rosinskis schäbigem Hinterhof ein partysüchtiges Völkchen ein: der außenseiterische Kapuzen-Mann (Volker Michl), der verklemmte feine Pinkel mit Hut (Tim Bergmann), der Turnschuh-Typ (Alan Brooks), seine hochgestöckelte Freundin (Caroline Finn), die mit Sonnenbrille und Perücke aufgebrezelte Blondine (Joy Bai). Hinter der Graffiti-verschmierten Eisentüre wummert schon die Disco-Fete, zu der alle wollen. Wie sie sich jetzt neugierig und aggressiv beschnuppern, egomanisch um sich selbst tänzeln, in nervöser Gangart kollidieren; wie der in Türk-Sprech kommandierende Türhüter (Jannis Spengler) die Macho-Drohgebärde in den Torso pumpt und der quirlige Kellner (Miguel Fiol Doran) mit Elasto-Bewegungen die Gruppe immer wieder spaßvogelig provoziert, das ist eine hinreißend komische Slapstick-Choreografie als Metapher für den ungebremsten nervösen Aktionismus unserer Zeit.

Auf dem Höhepunkt der aufgehitzten Szene fährt aus dem Bühnenhimmel ein belaubter Ast, Licht und musikalische Untermalung werden weich und einschmeichelnd. Und der Hof verwandelt sich in den „Geheimen Garten“, in ein kleines Paradies der Ruhe und Friedlichkeit. Die sieben Darsteller-Tänzer – alle exzellent in ihrer charakterisierenden Körpersprache – bewegen sich jetzt entspannt hinein in ein uneitles Miteinander, in sanfte Paartänze, in einen harmonischen Reigen à la Pina Bausch.

Ein Traum – jedenfalls ein heilsamer. Am Ende zurück in der Wirklichkeit, haben alle ihre narzisstische Hektik abgelegt und eine Achtsamkeit für den anderen entwickelt.

Schön, dass George Podts Münchner Theater der Jugend das Genre Tanztheater seit Jahren kontinuierlich pflegt. Und mit Johanna Richter, die so geschickt Tänzer und Schauspieler miteinander reagieren lässt, hat der Intendant auch genau die richtige Choreografin gefunden.
 

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