„Simple Symphony“ von Rafael Bonachela

„Simple Symphony“ von Rafael Bonachela

Festspieljubel, Jetztzeithexen und Nemanndertaler

Dreifacher Auftritt der Sydney Dance Company in Ludwigshafen

Deutsche Erstaufführungen von Rafael Bonachela, Bernhard Knauer, Fina Jopp, Daniel Riley und Kristina Chan zeigen die ganze tänzerische Vielfalt der Kompanie aus ‚Down Under’.

Ludwigshafen, 02/12/2015

Einmal pro Spielzeit – so ist es gute Festspieltradition in Ludwigshafen – darf eine Tanzkompanie für zwei Aufführungen die Dienste der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz nutzen. In diesem Jahr mit australischem Tanz als Schwerpunktthema fiel das Privileg an die Sydney Dance Company.

Deren Leiter Rafael Bonachela hat mit „Triptychon“ einen dreiteiligen neoklassisch geprägten Tanzabend zu Musik von Benjamin Britten zusammengefügt, der in dieser Form erstmals in Deutschland zu sehen war. Wie wichtig dem Choreografen die Musik für diesen Abend ist, stellte er gleich im Bühnenbild klar: das große Streichorchester spielt auf einem Podest im Bühnenhintergrund, davor liegt ein weißer Tanzteppich. Jedes ‚Mehr’ an Ausstattung kommt aus der Werkstatt von Designerin Toni Maticevski. Sie hat jeden der drei Teile stimmungsgemäß in eine andere Farbe getaucht: Weiß, Schwarz und Silber. Dabei genügen ihr raffinierte Andeutungen, um auf schwelgerische Kostümepochen anzuspielen: kleine Relikte über knappen Dessous lassen an große Kragen und Capes, an Korsagen und tüllgebauschte Röcke, aber auch an Harnisch und Rüstung denken.

Im ersten, weißen, sozusagen unschuldigen Teil zu Brittens vergnügter „Simple Symphony“ sind vier Tänzer ganz spielerisch zugange, ein leichter lustiger Augenschmaus – und ein rechter Kontrast zum schwarzen Mittelteil „Les Illuminations“ für zwei Tanzpaare, für den sich der Komponist von einem homoerotisch aufgeladenen Gedichtzyklus des französischen ‚bad boy’ Arthur Rimbaud inspirieren ließ. Zwei Tanzpaare klopften in der dazugehörigen Choreografie die Liebe eindrucksvoll auf ihre unterschiedlichen Spielweisen hin ab, während die australische Sopranistin Katiee Noonan in den buchstäblich höchsten Tönen schwelgte.
Im dritten Teil, Brittens Erfolgsstück „Variations on a Theme of Frank Bridge“, durfte die ganze sechzehnköpfige Company in Grau-Silber ihre so recht festspielwürdigen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Offenkundige Begeisterung im Publikum, auch für den Gastdirigenten Nabil Shehata.

Unter die Zuschauer hatte sich auch der Leiter der Mainzer Tanzsparte, Honne Dormann, gemischt, sozusagen um Maß zu nehmen: Er wurde als Kurator für die Tanzgastspiele im Festspielprogramm der kommenden Spielzeit eingeladen.

Ganz zeitgenössisch können die Tänzer von ‚Down Under’ aber auch. In einem „New Breed“ genannten Programm präsentierten sie erstmals in Deutschland vier aktuelle Arbeiten von Nachwuchschoreografen mit ganz unterschiedlichen Handschriften. Der in Dresden geborene Bernhard Knauer etwa ließ sich für „Derived“ von einer Komposition seines Vaters inspirieren – die Vater und Sohn live auf Cello und Kontrabass widergaben. Vier Tänzer folgten in seinem Stück konsequent dem sich steigernden Spannungsbogen der Musik. Ganz andere populäre Klänge entdeckte die Australierin Fina Jopp neu für ihr Stück „So much, doesn’t matter“. Sie widmet sich dem weltweit bekannten Ohrwurm „Greensleeves“ - sichtlich überrascht, dass die vielgedudelte Melodie von einem Liebeslied aus dem 17. Jahrhundert stammt. Ihr choreografischer Versuch einer Ehrenrettung für das abgenutzte Thema ist lustig und originell.

Die sicherste künstlerische Handschrift des Abends kam vom australischen Choreografen Daniel Riley. In seinem Tanzstück „Reign“ für die acht Tänzerinnen der Company ließ er eine erfolgreiche Frau gegen die Schatten des Scheiterns kämpfen – wahre Jetztzeithexen im beeindruckenden Clinch. Im formalen Gegenstück „Conform“ für die acht Herren der Company untersuchte die in Hongkong geborene Kristina Chan den gesellschaftlichen Druck auf die Männer, die sich eingangs aus stillem Verharren sozusagen in ‚Nemanndertaler’ verwandeln. Es ist die originellste, experimentierfreudigste Arbeit dieses Abends mit tollen Höhepunkten und kleinen Hängern.

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