Lutz Förster während seiner Abschiedsvorstellung in der Neuen Aula der Folkwang Universität der Künste

Lutz Förster während seiner Abschiedsvorstellung in der Neuen Aula der Folkwang Universität der Künste

Essen leuchtet gleich zweimal

Pick bloggt über „Lutz Förster: Portrait of a Dancer“ und den Kurt Jooss Preis

Mit einem persönlichen Portrait seines 45jährigen Tänzerlebens verabschiedete sich Lutz Förster mit seinem Solo und Ausschnitten aus Pina Bauschs „Kontakthof“, „Nelken“, “Ahnen“, „1980“ und “Für die Kinder von gestern, heute und morgen“ in der Folkwang Universität der Künste.

Essen, 14/06/2019

Ein großer Tänzer, namentlich Lutz Förster, gab einen Solo-Abend auf der Bühne der Folkwang Universität. Er erzählte seinem internationalen Publikum aus seinem Leben, indem er seinen Lebensweg sprachlich und tänzerisch verwob – endend in Standing Ovation.

Hier kommen meine Erinnerungen zu Lutz und dem Abend: In Hamburg aufgewachsen, nach dem Abitur nicht wissend, wie sein Leben sich zu seiner Zufriedenheit entwickeln soll, stellt Lutz sich bei Hans Züllig vor, dem Leiter der Tanzabteilung der Hochschule in Essen sowie anderen Dozenten, u.a. Gisela Reber und Jean Cébron. Wer ihm klassisches Ballett unterrichtete, hat er uns vorenthalten, was wohl nicht so wichtig für den körperlich sehr begabten schlaksigen jungen Mann war. Er wollte wohl aus dem Intellekt kommend auf der Bühne etwas ausdrücken und keine Kunststücke vorführen.

Als er sein Studium begann, war Pina Bausch gerade nach Wuppertal ausgewandert. Choreografisch arbeiteten Susanne Linke und Reinhild Hoffmann im FTS /Folkwang Tanz Studio mit Lutz. Er hatte das große Glück – was zu einer Karriere gehört – bei Pina schon früh die beste Interpretation von Strawinskys „Le Sacre du printemps“ tanzen zu dürfen.

Ich bin Lutz in der Schule sicher begegnet, wenn ich dort zum Training ging, sobald wir in Düsseldorf frei hatten, aber die erste bewusste Begegnung fand in Paris statt, wo das Tanztheater Wuppertal jährlich im Theatre de la Ville gastierte. Es war kein Small Talk, sonst hätte ich es sicher vergessen. Eindrücklich war es auch, weil es nicht in der Stadt, sondern in der Banlieue stattfand. Das Theatre de la Ville war entweder wegen Renovierung geschlossen oder weil Pina die Bühne unter Wasser setzte. Nirgendwo gab es so etwas, außer in Bayreuth. Wir haben sicher nicht über „The Moor‘s Pavane“ von Jose Limon gesprochen, aber als ich mir in den Kopf setzte diese geniale Choreografie nach München zu holen, war er meine Idealbesetzung für den Jago. Matthias Schmiegelt, Dramaturg am Münchner Gärtnerplatztheater half mir beim Kontakt zu Lutz herzustellen, der inzwischen bei Limon in New York getanzt hatte, und zu Carla Maxwell, die nach José Limons Tod Leiterin der Company war. Beide spielten in Lutz‘ Leben eine Rolle und mit Grandezza zeigte er uns an diesem Abend, wie Limon ihm den Anfang der Rolle des Jago schmackhaft gemacht hatte. Davon hätten wir hier gern mehr gesehen. Lutz tanzte in München die Premiere und eine Reihe von Vorstellungen.

Über seine Arbeit mit Bob Wilson hätte man vielleicht auch mehr erfahren wollen, aber zwischen den Zeilen schien sich zu ergeben, dass der Regisseur und der eigenwillige Tänzer nicht so ganz zu einander fanden. Auch Wilson ist ein ziemlicher Eigenbrötler. Wenn man will, kann man Pina und Wilson in mancher Weise vergleichen, aber nicht die Art, wie sie arbeiteten. Aber wann und wie Lutz auf der Bühne erscheint, ist immer groß und interessant!

Am Wochenende davor gab es in Essen ein weiteres wichtiges Tanzereignis. Diesmal aber nicht in Werden, sondern in der Zeche Zollverein, wo die freie Szene sich bestens zeigen kann. Allerdings habe ich dort früher auch z. B. Mikhail Baryshnikov bewundert. Der Grund war die Verleihung des Kurt Jooss Preises. Drei Choreografien durften sich präsentieren, ehe die Jury die Entscheidung für den Hauptpreis publik machte und den ZuschauerInnen erstmals die Chance gab, sich für einen Sonderpreis zu entscheiden.

Der Entscheidung für den Kurt Jooss Preis für Emma Evelein konnte ich mich gut anschließen. Die Choreografin hat ihre Wurzeln in Amsterdam, was man daraus, wie sie typisch für die niederländische Tradition mit dem Schrittmaterial umgeht, ahnen könnte. Auch hat sie eine Gabe aus den jungen TänzerInnen recht schwierige Dinge herauszuholen und hervorragend über die Rampe bringen zu lassen. Dazu kommt, dass sie das 15-minütige Stück gut zu beleuchten wusste und so einmal mehr Professionalität unter Beweis stellt. Mit Ihrem Titel „Wolves“ konnte ich nicht so recht etwas anfangen, aber die Wölfe stehen wohl für eine Verkörperung unserer elementaren Lebenserfahrungen.

Das erste Stück „Regnet es?“, präsentiert von Kai Strathmann, der Folkwang-Wurzeln hat, arbeitet auch nicht ansatzweise mit klassischem Schrittmaterial, sondern verwendet ausschließlich Alltagsbewegungen. Der Titel „Regnet es?“ ist witzig und der Anfang mit edlen Spazierschritten in Zeitlupe verspricht etwas, was allerdings in zwanzig Minuten langweilig wird, wenn sich Tänzer nur von links nach rechts, vor- und rückwärts bewegen und retour.

Die preisgekrönte Choreografie „Being far away from“ der Chinesin Chun Zhang mit ihren 35 Minuten wäre ebenfalls besser, wenn sie kürzer wäre. Die Choreografin verknüpft ihren Folkwang-Hintergrund mit reichlich Forschung, die ihr Stück kaum interessanter macht – wie ich finde. Es geht um die Obsessivität, mit der sich Menschen vorgegebenen Ordnungssystemen anpassen. Hier gelingt es ihr in relativ kurzen Duetten theatralische Momente zu finden. Damit will ich sagen, sie macht Versuche menschliche Obsessionen nachzuzeichnen oder besser – andeutungsweise – zu erfinden.

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