Wut und Blut, Schweiß und Urin

Achtzehn Monate Haft auf Bewährung für Jan Fabre

Die Folgen eines anklagenden Briefs ehemaliger Mitarbeiterinnen in der Kulturzeitschrift Rekto Verso im Jahr 2018

Antwerpen, 29/04/2022

Seine Bilder und Skulpturen sind weltweit berühmt und hängen in bedeutenden Museen,  seine großen Tanztheaterproduktionen – nicht zuletzt das 24-Stunden Epos „Mount Olympus“ von 2015 als ein wahrer Exzess durch die Antike - waren bis vor wenigen Jahren auf internationalen Festival heiß begehrt. Weit über 30 Jahre lang schien Jan Fabres überbordende und exzessive Arbeits- und Präsentationsweise, die sich auch auf den Privatbereich mit zahlreichen Mitarbeiter*innen ausweitete, akzeptierte Praxis zu sein. Doch die Zeiten haben sich geändert und seit 2018 zwanzig ehemalige Tänzerinnen und Mitarbeiter der Tanzkompanie Troubleyn in der Kulturzeitschrift Rekto Verso Vorwürfe veröffentlichten, die zum Großteil von Fabre geleugnet wurden, hat sich das Blatt gewendet.

Ein Urteil des Antwerpener Strafgerichts gegen den renommierten Avantgarde-Choreografen, Regisseur und bildenden Künstler Jan Fabre ist heute gesprochen worden: Achtzehn Monate Haft zur Bewährung ausgesetzt, Verlust der Bürgerrechte für die Dauer von fünf Jahren sowie Entschädigungen an die Nebenkläger.

Vorausgegangen war ein langwieriger Prozess in dem ehemalige Mitglieder seiner Kompanie Troubleyn ihrem Ex-Chef Machtmissbrauch, Mobbing sowie sexuelle Belästigung vorwarfen. In sechs Fällen gilt Fabres Schuld als erwiesen, sechs weitere sind bereits verjährt. Daher wurde die von der Staatsanwaltschaft geforderte dreijährige Gefängnisstrafe schlussendlich fast halbiert. Jan Fabre war weder bei der Verhandlung noch bei der Verlesung des Urteils anwesend. Für den zweiten Verhandlungstag hatte er seinem Anwalt einen handschriftlichen Brief übergeben, in dem stand: "Ich entschuldige mich aufrichtig bei jedem, der sich verletzt fühlt, bei jedem, der sich wegen mir schlecht gefühlt hat. Ich wünsche dir die Anarchie der Liebe und der Schönheit." 

Dass Fabres Theaterexzesse nicht endeten, wenn der Vorhang fiel, war ein offenes Geheimnis. Der Preis, den er nun dafür bezahlt, ist hoch - auch jenseits des Urteils, denn Museen und öffentliche Institutionen haben Fabres Werke verbannt, Förderungen wurden gestrichen und Aufführungen seiner Stücke wurden kontinuierlich abgesagt.

Fabre reagierte schon vor der Urteilsverkündung auf der Plattform Reframe mit einem öffentlichen Brief, der erklären will, was sich kaum erklären lässt. Reframe wurde eigens zur Rehabilitation von Fabres Reputation angelegt und wird von zahlreichen Jan Fabre unterstützenden (ehemaligen) Mitarbeiter*innen getragen. Schwierig zu sagen, ob eine Wiederherstellung seines Rufs nach diesem Urteil noch gelingen kann.

 

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