Forum Berufseinstieg Tanz 2 in Berlin

Forum Berufseinstieg Tanz 2 in Berlin

Schwarmexpertise

Der Dachverband Tanz Deutschland lud zur bundesweiten Fachtagung - dem „Forum Berufseinstieg Tanz“

In Essen und Berlin kamen Expert*innen aus der Ausbildungs- und Arbeitswelt, der Tanzszene sowie von überregionalen Verbänden und Beratungsstellen zusammen, um sich über die Zukunft des Tanzes auszutauschen – buchstäblich.

Berlin , 07/05/2024

„Ein Netzwerk ist mehr als seine einzelnen Teile!“ 

Begabte Netzwerker*innen 

Erfolgreicher Berufseinstieg im professionellen Bühnentanz – wie kann dieser gelingen? Dies war jeweils die Eingangsfrage an beiden Konferenzen, zu denen der Dachverband Tanz Deutschland nach NRW und gemeinsam mit dem Bundesverband Freie Darstellende Künste in die Bundeshauptstadt Berlin eingeladen hatte. Wie unterschiedlich das unmittelbar auf die Wand projizierte Ergebnis ausfiel, war in Anbetracht der thematischen Aufteilung und des zum Teil unterschiedlichen Teilnehmerkreises vom Forum Berufseinstieg Tanz #1 und #2 naheliegend und doch frappierend: Lautete die zentrale Antwort bei den Teilnehmenden mit Fokus auf ein festes Engagement an Stadt- und Staatstheatern bzw. etablierten freien Ensembles „Begabung“. So stand bei den Repräsentant*innen selbständigen Arbeitens in der freien Szene der Begriff „Netzwerk“ im Mittelpunkt. 

‚Begabte Netzwerk*innen‘ müssen heute jedoch alle Absolvent*innen sein, gleich ob klassischer oder zeitgenössischer Ausrichtung der Ausbildung, ob Festanstellung oder Selbständigkeit – denn auch hier sind die Phasen mittlerweile äußerst durchlässig und fluide: Die Konkurrenz ist nicht nur unterhalb der deutschen Ausbildungsstätten, sondern auch aus dem Ausland enorm, wobei hierzulande seit den Neunzigern zugleich jährlich rund 20 Stellen für Tänzer*innen an Stadt- /Staatstheatern gestrichen werden – weiß die Statistik. Da heißt es durchaus ‚zur richtigen Zeit am richtigen Ort‘ sein, die ‚richtigen‘ Leute kennen und – zweifellos am wichtigsten – sich selbst: „Wo liegen meine Stärken, meine Schwächen? Wo will ich hin? Was für eine Tänzerin bzw. ein Tänzer will ich sein?“, stellen zentrale Fragen dar, mit denen sich Auszubildende heute teils frühzeitig konfrontieren müssen. Enorme Anforderungen sind es, die – schon immer, heute besonders – an den Tänzerberuf gestellt werden: So flexibel und vielfältig einsetzbar wie nur möglich sollten Tänzer*innen sein, ein ‚Allroundtalent‘, und dabei hochgradig belastbar – physisch wie mental. 

Kontroverse Perspektiven

Was kann und muss eine Tanzausbildung hier in der Vorbereitung leisten, um nicht nur ein allseits zu Hochleistung fähiges ‚Tänzermaterial‘ zu ‚generieren‘, das nonstop zu ‚performen‘ vermag, sondern viel mehr künstlerisch einzigartige und gesunde Tanzkünstler*innen zu empowern, die es auf das ‚Leben draußen‘, außerhalb der Ausbildungsblase, vorzubereiten gilt? Wie kann der Unterricht ganzheitlicher gestaltet werden, der nicht nur ‚Handwerk‘ vermittelt, sondern mitunter tiefgreifende Einblicke in die Arbeitsrealität aufzuzeigen weiß, die heute ohnehin immer im Plural anzusehen ist? 

Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit ist nicht zuletzt vor allem von den Auszubildenden selbst gefragt und natürlich gilt die altbekannte Formel: Fördern durch Fordern, aber ohne Überforderung. Viel wurde zu sehr unterschiedlichen Themenfeldern an beiden Tagen kontrovers diskutiert und beratschlagt wie auch Expertise verschiedener Fachrichtungen, Verbände oder Institutionen zusammenbracht, um einmal gemeinsam das Ganze in den Blick zu nehmen. Welche Bedarfe und Defizite gibt es in der Tanzausbildung? Was ist bereits gut? Wo ist definitiv ‚Luft nach oben‘? Welche Schwerpunkte gilt es fachlich neu festzulegen und zu eruieren? Wie kann – vor allem – die Zusammenarbeit mit den Theaterhäusern bzw. freien Ensembles und der freien Szene intensiviert werden? Wie gelingt die notwendige Verzahnung von Ausbildungs- und Berufswelt? Wie die Transition?

Emerging Dance Artist

Als wichtige Anlaufstelle für die vielfältigen und diversen Fragen, die Auszubildende wie auch Ausbilder, Förderer und Unterstützer umtreibt, ist die im Februar neu an den Start gegangene Wissensplattform Emerging Dance Artists anzusehen, die von den verantwortlichen Entwickler*innen beim Dachverband Tanz Deutschland, allen voran Dany Beyer und Johannes Bergmann (im Gespräch mit Dagmar Klein), vorgestellt wurde. Diese setzt den wertvollen Teilbereich Qualifizierung des Mitte 2023 ausgelaufenen Förderprogramms DIS-TANZ-START (DTS) fort, welches im Sommer 2021 als Teil von NEUSTART KULTUR als Corona-Hilfe ins Leben gerufen worden war, um Absolvent*innen bei ihrem Einstieg ins Berufsleben zu unterstützen. Auch nach Ablauf von DTS sollen mittlerweile bewährte Qualifizierungsmaßnahmen nun weiter fortgeführt werden, so ein zentrales Anliegen von Geschäftsführer Michael Freundt. Dabei steht das Thema Vernetzung auch für die neue Website als Priorität an oberster Stelle, indem diese informiert, vernetzt und dadurch unterstützt. In Berlin wurde darüber hinaus die Wissensplattform Campus Freie Darstellende Künste des BFDK mit ähnlichem Ansatz vorgestellt. Zumindest an ersten Anlaufstellen, die Fragen und Antworten bündeln, scheint es nicht mehr zu mangeln. Ein Anfang. 

Langfristigkeit als System

Um vernetzen, sich gegenseitig stärken, unterstützen, untereinander Erfahrungen austauschen und konstruktives Feedback geben, darum soll es auch in Zukunft gehen. Doch dass dieser alleinige Austausch einer Schwarmexpertise auf Dauer nicht ausreichend sein kann, an diesem Punkt sind sich alle Beteiligten vom Forum Berufseinstieg Tanz #1 und #2 einig: Langfristig gilt es, Systeme und Strukturen zu verändern und auch die Politik verstärkt in die Pflicht zu nehmen, um angehende Künstler*innen zu fördern und in diesem ohnehin hochgradig anfälligen und sensiblen Beruf ein Mindestmaß an Absicherung und Perspektive zu gewährleisten. Dieses Thema fängt sicherlich nicht nur beim Tanz an, es darf aber auch nicht beim Tanz aufhören! Zu dieser Überzeugung müssen noch einige Entscheidungsträger*innen gelangen und ganz reell für diese so vielseitige und lebendige Kunstform gewonnen werden. Was hier natürlich letztlich wieder vor allem finanzielle Unterstützung heißen würde, um Leerstellen – räumlich, zeitlich, personell – einerseits bedarfsgerecht zu füllen und andererseits Stellen zu schaffen bzw. ein finanzielles Auskommen in der Berufseinstiegsphase zu sichern: langfristig, nachhaltig, künstlerisch. Ein Wandel und Umdenken für den Tanz!

 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern