„Die vier Jahreszeiten“ von Guido Markowitz. Tanz: Elias Bäckebjörg und Alba Valenciano Lopez

„Die vier Jahreszeiten“ von Guido Markowitz. Tanz: Elias Bäckebjörg und Alba Valenciano Lopez

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Premiere von „Die vier Jahreszeiten“ am Stadttheater Pforzheim

Guido Markowitz' Ensemble zittert, zögert, kämpft, stößt und huscht durch die vier Jahreszeiten, die - rekomponiert von Max Richter - ineinander verschwimmen und ein düster-schwermütiges Bild menschlicher Existenz zeichnen.

Pforzheim, 26/01/2020

Die zarten Saiten, die werden von der Solistin Maria Gawrilenko bedient. Die Geigerin der Badischen Philharmonie Pforzheim steht sogar ein paar Minuten lang mitten auf der Bühne, umwogt von tanzenden Körpern. Ansonsten gibt es weniger Schwelgen in harmonischen Klängen in den 2012 von Max Richter „rekomponierten“ vier Jahreszeiten von Vivaldi. Ballettdirektor Guido Markowitz betritt mit seinem Ensemble neues Terrain, und dieses ist überwiegend düster, schwermütig, von nur wenigen leichten Momenten gezeichnet, auch farblich. Der Frühling kommt mit Pastelltönen als zarte Andeutung in den Kostümen, die aber von eher dunklen oder auch silbrig glänzenden kalten Tönen verschlungen werden. Auch das reduzierte Bühnenbild gibt durch seine transparenten und flexiblen „Vorhänge“ einen mal abstrakten, mal gegenständlichen, oft organischen Accessoire-haften Beigeschmack. Gleich zu Beginn erinnert das transparente Bild vor allem wohl Pforzheimer an die Zerstörung ihrer Stadt am 23. Februar 1945. Der jährliche Gedenktag erhält die Bilder lebendig.

Im Prinzip setzt Guido Markowitz seine Linie fort. Beim Tanzstück „Metamorphosen“ ist ein von der Liebe zermürbtes Paar an den Wolkenkratzern der Großstadt zerschellt. Die Individualität zerfällt, der Mensch geht an sich selbst kaputt. Er fällt, er zittert, er versucht, sich krampfhaft an seinem Gegenüber festzuhalten, wird von seiner sozialen Umgebung getragen und dann doch niedergetrampelt. Auch nun zittert, zögert, kämpft, stößt, huscht das Ballettensemble in meist modernen, aggressiven, abgehackten und nur ab und zu an klassisches Ballett erinnernden Bewegungen durch die vier Jahreszeiten. Diese verschwimmen ineinander. Etwas vom Sommer taucht im Winter auf. Der Frühling ist nur ein Schatten. Und gekämpft wird immer, ums Überleben.

Im Mittelpunkt steht Tänzer Abraham Iglesias Rodriguez – mal mit seiner Begleiterin Soraya Leila Emery, mal ohne. Immer aber und ganz offenbar nach dem Sinn des Lebens Ausschau haltend. Sein suchender Gesichtsausdruck, seine verkrümmte Haltung, die in wenigen Augenblicken federleicht nach oben Richtung Glückseligkeit strebt und dabei die Schwerkraft zu überwinden scheint - ist es doch die Mühsal des Lebens, die an seinen Füßen zerrt, ihn hinabzieht, sich in seiner Verzweiflung wälzend. Um ihn herum tobt das Leben, braune, ameisengleiche Körper wuseln über die Bühne. Dann: Stille. Man kann den imaginären Schnee, den das Ensemble in die Luft wirft fast fallen hören. Elias Bäckebjörk umspannt kraftvoll die Bühne, er sieht aus wie ein silberner Ritter, mit einer glänzenden Maske, die außer seinem haarigen Pferdeschwanz nichts von seinem Kopf freilässt. Es wird ein ungleiches Ringen und doch steht Abraham Iglesias Rodriguez immer wieder auf. Taumelnd zwar, aber er steht.

Zum dritten Mal hat Markowitz den Chefdesigner von Hugo Boss, Marco Falcioni, eingebunden. Herausgekommen sind auffällige, mit glänzenden Partien bestimmte Muskelgruppen hervorhebende und durch ihre Raffungen Fell imitierende Kostüme. Weite Beinkleider geben die nötige Bewegungsfreiheit. Lediglich die Partnerin des Solo-Tänzers wird immer wieder ausgebremst, wenn sie ihren mit schweren, rasselnden Pailletten benähten schwarzen Schurz tragen muss.

Am Ende hat Abraham Iglesias Rodriguez ein ganzes Leben tänzerisch erzählt. Das macht er großartig. Und das nicht nur mit dem Körper, das Gesicht tanzt mit.
 

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