„Giselle“ von Mauro de Candia. Tanz: Hampus Larsson, Marine Sanchez Egasse

„Giselle“ von Mauro de Candia. Tanz: Hampus Larsson, Marine Sanchez Egasse

Tödlich zerstörtes Vertrauen

Mauro de Candia choreografiert „Giselle“ am Theater Osnabrück

Candias "Giselle" ist eine eigenständige, im tänzerischen Ausdruck ihrer psychologischen Warheit absolut zeitgemäße Fassung des fantastischen Balletts, das wunderbar neben dessen klassischen Formen bestehen kann.

Osnabrück, 26/02/2020

Von Hanns Butterhof

„Giselle“ ist eine Ikone des romantischen Balletts. 1841 wurde es am Königlich Akademischen Musiktheater in Paris zu dem Libretto von Vernoy de Saint-Georges und anderer zur Musik von Adolphe Adam uraufgeführt. Im Theater am Domhof hat es jetzt Mauro de Candia entromantisiert und aus der feudalen Gesellschaft mit ihren Standesunterschieden in eine zeitlose Gegenwart versetzt. Mit dem live vom Osnabrücker Symphonieorchester unter Daniel Inbal musikalisch unterstützten und begeisternd tanzenden Ensemble der Dance Company hat de Candia einen wunderbaren Tanzabend geschaffen.

Auf der schwarz ausgeschlagenen Bühne mit ihrer kargen Kulisse von einigen Birken konzentriert sich de Candia auf die vier Protagonist*innen des Balletts: Albrecht (Hampus Larsson), seine Verlobte Bathilde (Ana Torre), Giselle (Marine Sanchez Egasse) und Hilarion (Neven Del Canto). Zu Beginn sieht man Albrecht, einen schönen Mann, und die herbe Bathilde beim zärtlichen Liebesspiel. Doch bei einem Volkstanz verliebt sich Albrecht in Giselle, ein elfenhaftes Mädchen in schlicht graugrünem Kleid. Sie hatte gerade die Annäherungsversuche von Hilarion zurückgewiesen und gibt sich nun vertrauensvoll Albrecht und seinen Liebesbeteuerungen hin.

Voller Eifersucht entschleiert daraufhin Hilarion die Gebundenheit Albrechts an Bathilde, und Giselle zerbricht an dem zerstörten Vertrauen. Ihre Freundinnen versuchen sie aufzurichten und gegen Albrecht abzuschirmen, der es dann wieder mit Bathilde versucht. Aber Giselle kann sich fast nur noch auf dem Boden winden. Als sie doch aufsteht, geht sie im weißen Unterkleid ins Licht, in den Tod.

Intime Szenen mit werbendem Umtanzen, weiten Sprüngen des sich Produzierens und zärtlichste Nähe mit weicher Hingabe wechseln sich mit dynamischen, kraftvollen und bis zum Artistischen gehenden Volksszenen ab. De Candia erweist sich dabei als einfühlsamer Psychologe, der die inneren Zustände und die äußeren Beziehungen wortlos deutlich in Tanz, Raumaufteilung und Licht zum Ausdruck bringt.

Das Ensemble der Dance Company leistet in der ersten, schon mit großem Beifall bedachten Stunde, sowie in den vierzig folgenden Minuten des zweiten Aktes Schwerstarbeit. Es verdient sich mit der ergreifend tanzenden Marine Sanchez Egasse, Hampus Larsson, Ana Torre und Neven Del Canto den dankbaren, schließlich stehend dargebrachten Beifall des Premierenpublikums. Der galt auch dem Osnabrücker Symphonieorchester, mit dem Daniel Inbal die ganze Breite des von Adolphe Adam aufgebotenen musikalischen Materials von knalligem Offenbach bis ätherischem Wagner passend zum Ballett entfaltete.
 

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