„Question of Belief“ von Kareth Schaffer mit Mădălina Dan und Manon Parent

„Question of Belief“ von Kareth Schaffer mit Mădălina Dan und Manon Parent

Szenen aus dem Stillstand

Kareth Schaffers neue Arbeit „Question of Belief“ als Livestream aus den Sophiensaelen

Kareth Schaffer hat mit ihrer neuesten Arbeit einen Spiegel für die pandemiegeplagte Gesellschaft geschaffen. Müdigkeit, Wut und krampfhafte Selbstbeschäftigung dominieren diese Zeit und es ist schön zu sehen, dass man nicht allein damit ist.

Berlin, 12/04/2021

Ein Bild, das das vergangene Jahr allzu passend beschreibt: eine Person starrt apathisch auf den Handybildschirm, eine andere ist energetisch beim Workout. Beide schlagen irgendwie die Zeit tot. Apathie und gezwungene Motivation nebeneinander, was viele vielleicht von sich selbst aus den letzten Monaten kennen.

Immer wieder kommt es zu solchen Momenten bei Kareth Schaffers neuem Tanzstück „Question of Belief“. Die Choreografin, die für ihre post-postmodernen Arbeiten bekannt ist, setzt sich darin mit Aktionismus, Faulheit, Ablenkung und Apathie auseinander, was nach einem Jahr Pandemie aktueller denn je erscheint. Von Beginn an kommt es zu Situationen der Wiedererkennung und Selbsterkenntnis, wenn man den beiden Tänzerinnen Mădălina Dan und Manon Parent knapp eine Stunde dabei zuschaut, wie sie versuchen, sich gegenseitig oder manchmal auch nur sich selbst zu beschäftigen.

Die leeren Sophiensaele sind das Wohnzimmer, in dem sie ausharren müssen – nur gefüllt mit einer sich aufblasenden Bühnenlandschaft von Dan Lancea im Hintergrund. Zu zweit scheint das zunächst gar nicht so schlimm. Sie bewegen sich durch den Raum, erkunden ihn zusammen, verhaken sich ineinander, bewegen und verformen die Andere und vertreiben sich die Zeit mit Selfies. Beschäftigung um des Beschäftigens Willen, um nicht in Langeweile zu versinken. Wie gut, dass sie sich haben. Doch mit der Zeit lässt die Motivation nach und die Zeit wird totgeschlagen mit Doom-scrolling oder verzweifelten Sportversuchen. Das penetrante Summen einer Fliege verstärkt die Monotonie der Szene. Zwischendurch wird es abgelöst von simplen, eintönigen Keyboardklängen, die in ihrem Rhythmus an einen tropfenden Wasserhahn erinnern. Jean P’ark gelingt es mit seinem Sounddesign das zähe Verrinnen der Zeit hörbar zu machen.

Eine Stimme aus dem Off erzählt von den Mittagsdämonen, die zum Nichtstun und zur Nachlässigkeit verführen wollen. Wer kennt sie nicht? Eben diese Dämonen liegen unter der Haut der Performerinnen, die sie sich nun in Stofffetzen gegenseitig runterreißen. Unter ihren beigefarbenen Hauben kommen riesige, bunte Ohren zum Vorschein. Fast wären sie niedlich, wären sie nicht so aufgedreht. Ein bisschen erinnern sie an die Gremlins. Sie quängeln und quietschen, jagen sich durch den Raum – erst verspielt wie kleine Kinder, dann immer schriller und verrückter. Sie scheinen irre geworden zu sein, ihnen ist die Decke auf den Kopf gefallen. Aus Faulheit und Apathie ist Wahnsinn geworden. Aus Frust vergraben sie sich zwischendurch immer wieder unter dem riesigen Luftkissen. Zu viel Nichtstun ist auch nicht gesund.

Aber wie kann das innere Faultier bekämpft werden? „How woman fights the inner sloth“ ist das letzte Kapitel von Schaffers Performance. Man bzw. Frau bekämpft es mit Arbeit. Es wird gearbeitet und gearbeitet, immer aktiv, bloß nicht zur Ruhe kommen, ständige Selbstoptimierung, immer schneller und ja keine Pause. Die Tänzerinnen bewegen sich immer hektischer über die Bühne. Die monotonen Keyboardklänge und das rote Licht unterstreichen ihre stakkatohaften und gestressten Bewegungen. Die Anstrengung ist ihnen anzusehen, sie wirken verzweifelt, aber können nicht aufhören. Eine bricht zusammen und bleibt liegen, die andere macht immer weiter. Aber liegen bleiben darf man nicht, deswegen „Get up!“. Sie wird auf die Beine gehievt, bis sie wohl oder übel selbständig stehen bleibt. Am Ende bleibt die Frage, ob es sich lohnt, das innere Faultier zu bekämpfen, wenn so das Resultat aussieht.

Kareth Schaffer hat mit ihrer neuesten Arbeit einen Spiegel für die pandemiegeplagte Gesellschaft geschaffen. Ohne je plakativ zu sein, zeigt sie auf, was vermutlich viele von sich selbst aus dem letzten Jahr kennen. Müdigkeit, Wut und krampfhafte Selbstbeschäftigung dominieren diese Zeit und es ist schön zu sehen, dass man nicht allein damit ist.

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