„I hope you die soon“ von Angela Schubot und Jared Gradinger 

„I hope you die soon“ von Angela Schubot und Jared Gradinger 

Der Trend geht zur Etüde

Tanz!Heilbronn: „Pulse“ und „I hope you die soon“ in den Kammerspielen

Gern schreibt sich der zeitgenössische Tanz Forschungsvorhaben auf die Fahnen. Das deutsch-amerikanische Duo Angela Schubot und Jared Gradinger untersucht in „I hope you die soon“ das bedingungslose Miteinander auf Atembasis. „Pulse“ von Jolika Sudermann beschäftigt sich mit dem Herzschlag.

Heilbronn, 27/05/2014

Gern schreibt sich der zeitgenössische Tanz Forschungsvorhaben auf die Fahnen. Nachdem im letzten Jahr das deutsch-japanische Duo Post Theater mit seinem „Express Fight Club. Version VI“ dem Publikum eine Lektion in Sachen Manipulation erteilt hatte, durften in diesem Jahr gleich zwei Produktionen ihre Studien vorführen: Das deutsch-amerikanische Duo Angela Schubot und Jared Gradinger untersucht in „I hope you die soon“ das bedingungslose Miteinander auf Atembasis. „Pulse“ von Jolika Sudermann beschäftigt sich mit dem Herzschlag. Die Kammerspiele mit ihren 120 Plätzen sind beim Festival Tanz!Heilbronn der geeignete Ort, um einer kleinen Minderheit von Tanzinteressierten solche Etüden zu präsentieren.

Brav nimmt sich die 25-minütige Abschlussarbeit von Sudermann aus. 2010 im Rahmen ihres Mime-Studiums an der Hochschule der Künste in Amsterdam entstanden, wurde „Pulse“ mit Absolventen der Tanzfabrik Berlin neu aufgelegt. Die Choreografin schickt fünf Performer auf die Bühne. Den Blick fest ins Publikum gerichtet, fühlen sie den Puls an Herz, Schläfe und Handgelenk, um diesen dann pantomimisch durch Kopfnicken, Fußwippen und rhythmischem Ballen und Öffnen der Hand zu illustrieren. Ein paar Konditionsübungen, der Puls wird schneller. Schließlich übernimmt ein Metronom den Takt, zu dem das Quintett synchron federt. Einige bewegen sich dabei rückwärts, andere gehen zu Boden, wippen kniend weiter. Auf Shirt, Hemd und Boden zeichnen sich Schweißflecken ab. Der Sound wechselt vom monotonen Tick-Tack zu Disco-Dancing, Headbanging und Armzucken übernehmen den Rhythmus. Am Schluss gehen die Fünf aufs Publikum zu, das Licht erlöscht, Umbaupause.

In schwarzem Schlabber-Shirt und Hose bereitet das Duo Schubot/Gradinger Mund-zu-Mund-Beatmung kunstvoll auf. In ihrer Serie „Les petites morts“ (Kleine Tode - gleichbedeutend mit Orgasmen) zelebriert das Paar unter dem Titel „I hope you die soon“ (Ich hoffe du stirbst bald) orale Lust, untermalt von stimmhaften Atemgeräuschen. Zunächst liegen beide bäuchlings am Boden: Haare kraulen, Hände über den Rücken streicheln und Füße hakeln. Als schaue ein Voyeur unter die Decke eines Liebespaares, kann man 50 bedeutungs­schwangere Minuten den Trockenübungen dieses bedingungslosen Miteinanders zuschauen.

Was laut Programmblatt als Entgrenzung des Körpers und Sterben des Egos gefeiert wird, ist nichts anderes als die Vereinnahmung hinduistischer, tantrischer und buddhistischer Trance- und Ekstase-Übungen. Sollte eine denkfaule, bewegungsarme Gesellschaft aus Egozentrikern nicht einfach mal das Tanzbein schwingen, statt mit derart verkopften und hochsubventionierten Etüden vorzugeben, man könne sich die Egozentrik in selbstverliebter Zweisamkeit abschminken?
 

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