Neue DVDs: Fokine-Ballette und MacMillans „Romeo und Julia“

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Stuttgart, 21/01/2003

Zwei neue DVDs, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Einmal die drei Fokine-Klassiker „Feuervogel“, „Petruschka“ und „Scheherazade“ (DECCA 079 322-9, 120 Minuten) und zum anderen MacMillans „Romeo und Julia“ (EUROARTS 10 5007 9, 115 Minuten). Gemeinsam sind ihnen nur die äußerst dürftigen Informationen im Textheft (wie bei allen DVDs).

Fokine kommt aus Russland, von einer ad hoc Kompanie getanzt, als Film aus den Mosfilm-Studios in Moskau, ursprünglich wohl ein TV-Video, Jahrgang 1993, Titel: „Return of the Firebird“ – mit dem Anspruch „... presents dramatic re-creations of the original Ballets Russes productions ... Set and costumes designs revived on the basis of the original sketches of Alexander Benois, Alexander Golovin and Leon Bakst – Russian ballet superstar Andris Liepa heads an all-star cast and directs these magical films.“

Fokine-Enkelin Isabelle hat die Herstellung beaufsichtigt und abgesegnet. Die choreografischen Grundmuster ihres Opas sind noch erkennbar – ansonsten vermutete man als Herkunftsort eher die Disney-Studios von Hollywood. Das Ganze trägt den Stempel Liepa: Andris als Prinz Iwan, Petruschka und Shahriar sowie als Drehbuchautor und Regisseur – Schwestern Ilze (als Zobeide) und Ekaterina (als Prinzessin) – fehlt nur noch der Papa Maris (den hätte ich mir als Kastschej gewünscht, denn was Sergej Pethukhov in der Rolle abliefert, ist die reinste Knallcharge, ein Monstrum, gezeugt in einer Schwulen-Orgie von Frankenstein und Dracula). Sonst noch mit von der Partie Nina Ananiashvili als Feuervogel, Tatjana Beletskaja als Ballerina, Gediminas Taranda als Moor und Victor Yeremenko als Goldener Sklave. Getanzt wird mit russischer Full Power, doch „Feuervogel“ und „Petruschka“ derart überzuckert und dekorativ aufgeblasen, dass einem die Augen übergehen – akzeptabel am ehesten noch „Scheherazade“. Alles in allem ein Produkt der Marke Russen-Mafia.

MacMillans „Romeo and Juliet“ ist eine Scala di Milano-TV-Produktion des Jahres 2000, mit Alessandra Ferri und Angel Corella, die die beiden „star-crossed lovers“ ja schon zuvor beim American Ballet Theatre getanzt haben – die anderen Solisten sind mir alle unbekannt, auch der Mercutio von Michele Villanova, der Tybalt von Gianni Ghisleni und der Paris von Bryan Hewison. Es ist eine Einstudierung (von Monica Parker, Georgina Parkinson und Julie Lincoln) von unstreitig großem Format (auch in der Ausstattung von Ezio Frigerio und Franca Squarciapino), exzellent getanzt – ohne dass ich nun behaupten könnte, dass ich von ihr so hingerissen wäre wie von einer guten Vorstellung der Cranko-Version in Stuttgart.

Es ist alles sehr nobel und ein wenig etepetete. Stuttgart hat entschieden mehr jugendliches Feuer, Mailand wirkt abgeklärter, weltstädtischer. Einzelne Rollen sind differenzierter durchgezeichnet als in Stuttgart: der Vater Capulet beispielsweise (Matteo Buongiorno) – vor allem aber der wesentlich stärker ins Spiel gebrachte Paris. Eine Klasse für sich ist Alessandra Ferri, besonders in dem fortschreitenden Erkenntnisprozess der Unmöglichkeit ihrer Liebe – eine ausgesprochen reife Ballerinenleistung, gegenüber der der damals 24jährige Spanier Angel Corella doch noch reichlich unbedarft und schuljungenhaft wirkt.

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