Liebes-Spiele

Die neue Tanztheaterchefin Eva-Maria Lerchenberg-Thöny gibt ihr Debüt am Staatstheater Braunschweig

Braunschweig, 29/10/2007

von Kirsten Allée

Am Ende hat die Liebe gesiegt. Mit ihrem Stück „And I love you so…?“, das am vergangenen Sonnabend im Staatstheater Braunschweig Premiere hatte, eroberte die neue Tanztheaterchefin Eva-Maria Lerchenberg-Thöny das Publikum. Die zu Beginn der Vorstellung noch eher abwartenden Zuschauer ließen sich im Laufe des Abends von den Liebes-Interpretationen der neuen Choreografin mitreißen.

Zu stimmungsvollen Songs, launigen Liedern und gefühlvollen Chansons von Jacques Brel bis Shirley Bassey, von Hubert van Goisern bis zu den Fantastischen Vier zeigten die Tänzer die verschiedenen Facetten der Liebe. Schüchterne Annäherungsversuche, feurige Avancen und den aggressiven Kampf der Geschlechter kennzeichneten die sehr individuellen Choreographien der insgesamt 18 Szenen. Bewusst nennt Lechenberg-Thöny ihre Arbeit Tanztheater. Ihr Stil ist eine Mischung aus Elementen des Klassischen Balletts, der fließenden Bewegungen des Modern Dance und des Schauspiels. Sie will ihr Publikum mitnehmen, faszinieren, mit ihm kommunizieren. Und sie möchte verstanden werden. Tanz als Körpersprache einzusetzen und nicht als abgehobene Kunstform zu begreifen, heißt eine Kernaussage der gebürtigen Österreicherin. Das ist ihr überzeugend gelungen. Wie traurig und berührend, lächerlich und komisch, wie dramatisch und schmerzvoll die Liebe sein kann, stellt die Choreografin eindringlich und ohne trendige Mätzchen dar - klar, zurückgenommen, stilsicher. In strengem Schwarz gekleidet, barfuß und auf nackter Bühne konzentrieren sich die Tänzer auf das Wesentliche: das Tanzen.

In ihrer Compagnie die individuellen Charaktere zu entdecken und auf der Bühne zum Ausdruck zu bringen, lautet der Anspruch Lerchenberg-Thönys an sich selbst. Sie stellt Typen auf die Bretter. Schon im Auftreten ist die Rollenverteilung klar. Die Tänzer spielen Machos, Verlorene, Verliebte, Vamps und Mauerblümchen, Begehrenswerte und Abgelehnte ohne Worte, mit reduzierter Gestik und Mimik, wobei die Zeitspannen zwischen bloßem Schauspiel und Tanz teilweise etwas zu lang geraten. Vor allem zu Beginn der ersten Szenen dürfte das Timing etwas akzentuierter sein, um den Spannungsbogen nicht abfallen zu lassen.

Für die Premiere in Braunschweig hat Lerchenberg-Thöny bewusst eine bewährte, nur leicht modifizierte Choreografie aus ihrem Repertoire gewählt, die bereits vor mehr als zehn Jahren mit großem Erfolg am Tiroler Landestheater in Innsbruck uraufgeführt worden war. Denn nur mit fünf Tänzern ihrer Compagnie hat sie bislang zusammengearbeitet. Die übrigen elf gilt es im Laufe der Zeit genau kennenzulernen, sie mit dem schnörkellosen Stil der Choreografin vertraut zu machen. Wie gut offenbar die Beobachtungsgabe der Tanzdirektorin ist, machen jetzt schon einige wahre Glücksgriffe in der Besetzung deutlich. Als zänkisches Paar zeigen Daniela Indrizzi und Roman Katkov mitreißend und ohne Klamauk die komische Seite der Liebe. Jana Ritzen, schon im Ensemble des vorherigen Ballettchefs Henning Paar auf die Rollen der klassischen Tänzerin abonniert, brilliert als kalt-verführerische Carmen. Das Fragezeichen hat „And I love you so…?” nicht nötig. Es ist was es ist, sagt die Liebe. Und das Publikum hat die Aussage verstanden. 


Mit freundlicher Genehmigung der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung www.haz.de

 

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