Tanztheater auf hohem Niveau

Das „steptext“-Ensemble stellt sein neues Stück „Void“ vor: Atmen als Thema des Abends

Bremen, 02/09/2009

„Void“ das heißt null und nichtig. Aber man kann das Nichts auch aufblasen und in die allerschönste Form bringen, wenn man den nötigen Atem dazu hat. Der Choreograf Helge Letonja zeigt bei der Premiere seines neuen Stückes in der Schwankhalle, wie solch ein Vorhaben künstlerisch funktionieren kann: Unmengen weißer Luftballons hat er wie Trauben meterhoch an die Wände gehängt. Das ist bildlich spannungsvoll und es trägt das Thema des Abends – den Atem und was man mit ihm alles machen kann – quasi in sich. Dazu kommen dann Tanzszenen, Stimmen, Töne, Lichtbilder, die in ihrer Schönheit und Menge manch anderem Regisseur Material für eine ganze Reihe von Inszenierungen geboten hätten. In seine Ballonwelt hat Letonja mit dem „steptext“-Ensemble vier Tänzer und eine Tänzerin hineinkomponiert, als wären deren Körper Pinselstriche, die ein räumliches Gemälde skizzieren. Aus den Ballons kommen die Gestalten herausgekrabbelt: zunächst in farblose Plastikmäntel gekleidet, später dann auch in blassbunte Shirts. Sie robben und verhakeln sich untereinander und verfallen plötzlich in sauberen Gleichschritt. Man variiert die Körpersprache bis hin zum ironischen Zitat von jenen Showtanz-Bewegungen, wie sie von Casting-Bands heute im Fernsehen (etwas inflationär) vorgeturnt werden.

Die Variationskraft dieses Ensembles ist enorm. Hier brechen die Tänzer immer wieder im richtigen Moment ab, um zu einer neuen szenischen Tonart zu wechseln. Wie Armin Biermann, der den Anfang macht, mit der lustig schrägen Variation eines einzigen Satzes, der seinen ganzen Körper zum (Po-)Wackeln bringt: „Es kommt aus dem Apparat, und es kribbelt am ganzen Körper!“. Vielleicht ist damit die Musik gemeint, die hier wie eine frische Dusche auf die Tänzer herabregnet; als Antrieb und Lebenswelt zugleich. Ein Mensch, ein Satz, eine Tür zu einer Assoziationswelt. Das szenische Prinzip erinnert an die gerade verstorbene Pina Bausch.

Neben den tänzerischen Qualitäten (allen vorweg sei erwähnt: Catherine Jodoin) werden auch viele stimmliche Elemente eingesetzt: zum Beispiel Monologe in Fantasiesprache. Morgan Nardi erzählt eine Geschichte mit unbekannten Worten; so leidenschaftlich und vielfältig im Klang der Stimme, dass man jedes Wort versteht – pardon, natürlich versteht man nichts, aber die Lebendigkeit der Stimme tritt so glasklar hervor, dass es eine Freude ist, sich den Inhalt selbst herbeizufantasieren. Robert Bell und Alessio Castellacci tönen ebenso gut, wenn sie wie am Telefon verlegen stottern und eine Symphonie der „Ähs“ und „Öhms“ hinlegen oder präzise Tonfolgen anstimmen. Für die Umsetzung dieser Vokalkunst ist Christian Wolz verantwortlich, der auch die Klanggestaltung des Soundtracks übernommen hat: Von atmosphärischem Brummen über rhythmische Beats bis hin zu Chorälen rollt er den Klangteppich aus.

So summt und brummt dieser Tanztheaterabend auf recht hohem Niveau. Vielleicht geht es um alles – oder eben um nichts. Schön anzusehen und anzuhören ist er auf jeden Fall.

Mit freundlicher Genehmigung des Weser-Kurier

www.steptext.de

Autor: Sven Garbade

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