Riki allein zu Haus oder: der erweiterte Tanzbegriff

„The geometry of separation“ zu Gast bei „Tanz! Heilbronn“

Heilbronn, 17/05/2010

„Schwer zu verstehen“ und „unzugänglich“ - etwas ratlos verlässt das Publikum nach Riki von Falkens Tanzstück das Komödienhaus. In der Tat ist „The Geometry of Separation“ (die Geometrie der Trennung) ein sehr persönliches Solo der tanzenden Choreografin. Zu Gast beim Festival „Tanz! Heilbronn“ ist diese Produktion aus Berlin nicht das, was allgemein unter Tanz verstanden wird. Es ist der fiktionale Dialog der 56-jährigen Bühnenfigur (Riki von Falken) mit einem jüngeren, filmischen Alter Ego (Friederike Plafki).

Mittels Beamer auf eine Wand aus Styroporblöcken projiziert, wacht die junge von Falken in einem kleinen, weißen Zimmer mit rotem Teppich auf. Sie zieht sich an, die Kleider kratzen, zieht sich wieder aus, hockt sich neben die Bodenmatratze, kauert sich auf den Kleiderschrank, verkriecht sich schließlich darin. Im menschenleeren Raum ruht der Blick auf einem Bild: zwei Männer, die mit dem Rücken zum Betrachter in die Ferne zu blicken scheinen - eine Rückenansicht frei nach Caspar David Friedrich, dem prototypischen Maler romantischer Einsamkeit.

Riki allein zu Haus, damit beschäftigt, den Raum mit nacktem Körper vermessen? Nach der Videosequenz tritt von Falken - rotblau gemusterte Söckchen, himmelblauer Rock und weiße Bluse - selbst auf die Bühne. Markantestes Requisit neben den Styroporblöcken ist ein blaues Seil. Lotrechte Trennlinie, am Boden beschwert mit Eisenblöcken, bildet es eine nicht näher definierte Grenze, die hin und wieder verlegt wird. Das Seil (Symbol eines Lebensfadens?) mündet in einem verschlungenen Knäuel (Restlebenszeit?).

Professionell spult von Falken ihr persönliches Repertoire wiederkehrender Schrittmuster, Armschwünge samt Kipp- und Drehmomenten ab. Lexikalisches Bewegungswissen geprägt vom Modern Dance à la Merce Cunningham, Trisha Brown, Jennifer Muller und Stephen Petronio; damals in den 70ern erweiterte diese New Yorker Avantgarde den Tanzbegriff, ging nach draußen, stieg auf Dächer und tanzte in Straßen.

Zum üppigen Klang elektroakustischer Geräuschkollagen (Luc Ferrari, Iannis Xenakis und Daniel Weaver) schlägt von Falken die Gegenrichtung ein, verzieht sich in Schlafzimmer, Küche und Bad, schildert Befindlichkeiten einer Existenz am Rande. Als sei sie von Peter Handke inspiriert, skizziert die Tänzerin mit der unverbindlichen Nettigkeit einer Flugbegleiterin die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt.

Im Publikumsgespräch gibt von Falken Einblick ins Konzept, das sie mit der Filmemacherin Mareike Engelhardt entwickelt hat: ein sensibles Netzwerk aus Bezügen von Realität und Surrealität, von Wirklichkeit und Möglichkeit.
 

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