Glänzende Wiederaufnahme von „Onegin“

Mit den Debuts von Tigran Mikayelyan und Elena Karpuhina

München, 26/01/2010

Da war es wieder, eines der Lieblingsstücke der Münchner, John Crankos geniale Ballettadaption von Puschkins „Onegin“! Und dabei verwirklichte nicht nur Lucia Lacarra als Tatjana auch in dieser Hauptrolle ihren Vorsatz, nach ihrer Verletzung noch stärker als vorher zurückzukommen. Auch ihr Partner Marlon Dino zeigte sich als Tänzer erneut erwachsener, weil er – noch mehr in die Rolle des stolzen, unempfindlichen Onegin hineingewachsen – dem in dekadent-lässiger Attitüde so überheblich in sich selbst Befangenen jetzt auch die nötigen dynamischen Akzente mitgab. Wirklich bewegend aber wirkte die Kunst Lacarras, die Tatjanas leidenschaftliche Hinwendung an diesen Unnahbaren in ihrer gleichzeitigen Verlorenheit hinreißend darstellte.

Darüber hinaus debütierten als Olga und Lenski die junge Elena Karpuhina und Tigran Mikayelyan, die nicht nur durch seine hohen Sprünge und ihre Luftigkeit für sich einnahmen: er als Lenski sehr charmant, musikalisch und erfüllt von Liebe, sie als Olga hellwach, indem sie einerseits technische Vorzüge wie ihre Fußschnelligkeit nicht nur als solche demonstrierte, sondern von Anfang an für den Ausdruck von Olgas neckischem Wesen einsetzte, andererseits mit ihren Port de bras und hohen Beinen das Schwelgerische verliebter Seelenweite zelebrierte. Im Pas de deux gewannen beide aus der Ruhe starke Ausstrahlung. Da inmitten eines Ensembles, das mit der ganzen Szene so vertraut schien, als handele es sich nicht um eine Wiederaufnahme mit vielen neuen Tänzern, auch das Hauptpaar von Anfang an die Aufmerksamkeit fesselte, war schon vor dem Ende des ersten Bildes mit seinen finalen Grand-Jeté-Diagonalen – die allerdings ungleichmäßiger und niedriger als sonst ausfielen – alles gewonnen.

Im bereits spannend beginnenden Traum holte Lucia Lacarra mit scharfer Akzentuierung ihrer weiten Schwünge das Maximum aus der imaginierten Erfüllung Tatjanas leidenschaftlicher Sehnsucht heraus, und Marlon Dino ließ mit einem Rest eigentümlicher Unwirklichkeit und mühelosen Hebungen als Partner kaum etwas zu wünschen übrig. Welch eine Choreografie John Crankos aber auch! – so mochte man wohl denken, schon bevor zu Beginn des 2. Aktes im prächtigen Bühnenbild von Jürgen Rose im Tschaikowsky-Walzer-Tanz, mit dem Madame Larina auf ihrem Landgut den Geburtstag ihrer Tochter feiern lässt, unter all den komischen Individuen u. a. wunderbare moderne Tänzerinnen, hier mit Häubchen stark gealtert, unweigerlich zum Lachen reizten. Auf dieser Folie wirkte das Weinen der von Onegin kalt zurückgewiesenen Tatjana herzzerreißend. Im durch ihn bewirkten Gewirr um Tatjana, Olga und Lenski sah man Tigran Mikayelyan glaubhaft eifersüchtig und Elena Karpuhina in Olgas vergnügtem Leichtsinn bis zum Schwindel unbedenklich werden.

Eine Klasse für sich war Lacarras Darstellung Tatjanas, fixiert auf den Unnahbaren, in ihrer traurigen Verlorenheit in einem verzweifelten Solo gipfelnd, während sich Dinos Onegin ohne Rücksicht auf seinen Freund Lenski mit Olga in die Unbekümmertheit rettete! So gelang auch die Eskalation zum Duell lebendig. Davor tanzt Lenski sein berühmtes Largo. In diesem Solo zeigte sich Tigran Mikayelyan bei aller virtuosen Gespanntheit offen im Verströmen von Lenskis Melancholie beim Abschied von Olga und dem Leben.

Was folgt, spielt bekanntlich zehn Jahre später im eleganten St. Petersburger Palais des Fürsten Gremin, mit dem Tatjana nun verheiratet ist. Während Vincent Loermans die Feinheit Gremins, derentwegen Tatjana auch jetzt ihrem Ehemann die Treue hält, als sie der Titelheld nach belanglos vertändeltem Leben endlich seinerseits gewinnen will, nur ahnen ließ, glänzte die Eleganz des Corps de ballet in ihrer neuen Frische, und der dramatische Pas de deux, in dem Onegin verzweifelt um sie wirbt, ging an die Seele. Dafür ist Ballett da, zwar unter anderem nur, aber vor allem! 

www.bayerisches.staatsballett.de

 

Kommentare

Noch keine Beiträge