„P.A.D.“

Spannendes Verwirrspiel der beiden Tänzer Ioannis Mantafounis und Fabrice Mazliah von der Forsythe Company

Dresden Hellerau, 23/09/2010

Wir sehen auf sie herab. Eine Grube. Ein großes Loch mit Wänden aus Holz. Wir sitzen an den vier Seiten und sehen alle, die uns gegenüber sitzen, und wir sehen da unten zwei Männer, ganz leger gekleidet, als wollten sie ein Training absolvieren. Was sich dann in einer knappen Stunde ereignet, lässt sich schon etwas mehr als eine Stunde später in der Erinnerung kaum noch in eine zeitliche Abfolge bringen. Es wäre interessant zu bemerken, was nach drei Tagen, nach zehn oder nach einem Monat im Gedächtnis geblieben ist, wenn man verschiedenen Menschen zu berichten versucht, was da geschehen ist. Von den wechselnden Emotionen ganz zu schweigen.

Die beiden Männer unter uns sind die Tänzer Ioannis Mantafounis und Fabrice Mazliah. Sie gehören zur Forsythe Company und stellen ihre Arbeit im großen Saal des Hellerauer Festspielhauses vor. Die dunkle Leere des Raumes lässt uns da irgendwie zusammenrücken. Die Tänzer probieren sich aus. Das klingt sonderbar, aber es ist so. Sie nehmen alles, was üblich ist, vorn oder hinten, oben oder unten, soweit es den eigenen Körper betrifft, später auch den des anderen, einmal so wahr, als sei alles anders. Das beginnt mit dem kindlichen Spiel ein Kleidungsstück verkehrt herum zu tragen, mit der Kapuze vom Shirt das Gesicht zu bedecken und plötzlich die Augen am Hinterkopf zu spüren. Anarchie des Körpers. Ist der linke Arm der rechte oder der rechte der linke.

Die Tänzer können die Konventionen verlassen, mehr noch, in den Prozessen der gegenseitigen Vermessung scheinen selbst Grenzen der Individualität nicht mehr zu gelten. Immer neue Varianten der Erkundungen finden sie, probieren aus, was dem eigenen Körper, dem des anderen zumutbar ist, das schließt heitere Verwechselungen ebenso wenig aus wie brutale Härten der Wahrnehmung. Weil Ioannis Montafounis und Fabrice Mazliah in ihrer hohen Konzentration so gänzlich bei sich sind, dabei in Kauf nehmen, dass das Holz der Grube dem Spiel der verletzlichen Körper harten Widerstand bietet, gehen von allen ihren Experimenten jene seltenen Wirkungen des Theatralen aus, die uns zu Sehenden machen und nicht zu Voyeuren.

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