„Ce que le jour doit à la nuit“ von Hervé Koubi

„Ce que le jour doit à la nuit“ von Hervé Koubi

Aus der Zeit gedreht

Hervé Koubi versetzt der Zeit im Pfalzbau einen anderen Takt

Was der Tag der Nacht verdankt, bleibt, auch ins Deutsche übersetzt, im Dunkeln. Denn was der in Frankreich aufgewachsene und arbeitende Choreograf mit „Ce que le jour doit à la nuit“ beim Festival „Africtions“ versucht, entspringt der Fantasie.

Ludwigshafen, 14/11/2014

Im Halblicht lassen sich Körper erkennen, aus dem Dunkel heraus geschält wie eine Landschaft. Bald werden die Gestalten im Licht deutlich. Alle zwölf Tänzer tragen weiße Hosen aus baumwollenem Stoff wie es einem Wüstenklima entspräche und darüber einen ebenso weißen Lendenschurz. Der fällt ins Auge bei jeder Bewegung, denn er verhält sich zum drehenden Körper wie ein weit schwingender Rock. Zu diesem Kleid setzt der bloße Oberkörper der Akteure den stärksten Kontrast. Obgleich auch neben dem visuellen der akustische Eindruck den Zuhörern auffallen muss: Knisternde, tropfende, ziehende, klopfende und schellende Soundpartikel werden später von barocken Klängen überlagert und diese wieder von orientalischer Flöte oder Laute. Die Musik spiegelt extravagant das sich im gesamten Bühnenraum entfaltende tänzerische Geschehen. Man könnte es auch als Ritual bezeichnen, denn was das Ensemble in einer ganzen Stunde aufbietet, verhält sich wie eine in sich geschlossene, aus vorgegebenen Strukturen gefügte Handlung. Einer fast meditativen Ruhe entspringend, entwickeln die zwölf männlich Verschworenen, deren Oberkörper gleich muskulös erscheinen, eine Art Reigen mit verschiedenen Formationen im Raum. Seine Elemente sind dem Bewegungsvokabular aus Street Dance, Hip Hop und Capoeira entliehen. So fallen sie auf ihre Hände und schlagen Räder, gehen mühelos in den Handstand und lassen die Beine in der Luft tanzen, gleiten mit den Oberkörpern rückwärts über Kopf wieder in den Stand oder rollen geschmeidig am Boden und sind bald zurück in die Senkrechte gekreiselt. Dabei schwingen ihre Schürzen wie Flügel fremder Wesen durch die Luft und ergeben in der Vielzahl der Tanzenden ein eigenes bewegtes graphisches Bildmuster.

Was der Tag der Nacht verdankt, bleibt, auch ins Deutsche übersetzt, im Dunkeln. Denn was der in Frankreich aufgewachsene und arbeitende Choreograf Hervé Koubi mit „Ce que le jour doit à la nuit“ versucht, entspringt der Fantasie. Dem gleichnamigen Roman von Yasmina Kadhra entlehnt, blickt Koubi wie das Kind in der Erzählung als Außenstehender auf Algerien, das Land seiner Väter. Fasziniert von der orientalischen Kultur, bedient er sich ihrer Kunst und Formensprache. Dazu hat er Tänzer aus Algerien und Burkina Faso gewonnen, die seinen Traum verkörpern. Sehr schnell nimmt einen dieser ästhetische Rausch aus Stoffen, Licht, Sound, Männerkörpern und der Bewegungssprache des urbanen Straßentanzes gefangen. Ob sich allerdings hinter dieser artifiziellen Schau weitere Ebenen öffnen – etwa die weniger anziehende Realität – bleibt vom Glanz überdeckt.
 

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