„Aurora’s Red Lines. Ein Tanzstück für die Alarmgesellschaft“ von Tanzwerke Vanek Preuß
„Aurora’s Red Lines. Ein Tanzstück für die Alarmgesellschaft“ von Tanzwerke Vanek Preuß

Das Rätsel Leben

Pick bloggt über seinen Besuch bei „Aurora’s Red Lines. Ein Tanzstück für die Alarmgesellschaft“ in der Brotfabrik Bonn

„Aurora’s Red Lines. Ein Tanzstück für die Alarmgesellschaft“ heißt die neue Produktion von Karel Vanek und Guido Preuß, in dem sich die Künstler mit der Signalfarbe „Rot“ befassen und mit ihr verschiedene menschliche Grenzsituationen wie Gefahr, Liebe, Geburt und Tod beleuchten.

Bonn, 25/06/2017

„Aurora‘s Red Lines“ nennen Karel Vanek und Guido Preuß ihre neue Produktion, und wie üblich habe ich mich erst nach der Vorstellung mit dem Programmheft (mit 8 Seiten angenehm lang für die freie Szene) auseinandergesetzt. Aurora ist für mich wohl die Morgenröte, so wie wir sie zur Zeit des Mittsommers am besten beobachten können, falls man früh den Daunen entkommen ist. Denn sie beginnt ja schon vier Stunden nach Mitternacht. Also aufgedrängt haben sich mir andere Assoziationen nicht, aber es hat mir auch nichts gefehlt. Auch oder gerade weil die Lichtregie dieses Abends von Florian Hoffmann für die „Freie Szene“ schon besonders raffiniert ist, und das mit einfachen Mitteln! Und wenn man so will, ist Aurora diese ganze Stunde über in schönster Weise vorhanden und vermählt sich mit dem Leben oder wenn man so will, bringt sie die Wärme, die Leben braucht oder erst möglich macht.

Drei Wesen werden sichtbar, wenn eine ziemlich nervige Geräuschkulisse ersetzt wird durch so etwas wie Meerwasser, das im Sand verläuft, und wenn man nicht die Besetzung vorher gelesen hat, kann man mindestens fünf bis zehn Minuten rätseln, welche Mischung der Geschlechter in Zeitlupe wie Nacktschnecken ihre Fühler ausstrecken, um die Umwelt zu erfassen. Oder sollten Krabben am Platz auf vorbeikommendes lebendiges Futter warten? Auf den Schultern ruhend, den Rücken zum Publikum, bewegt man sich unisono oder kanonartig unaufgeregt. Schließlich kommt die unvermeidliche Drehung, Wendung zum Publikum und wir stellen fest, dass es sich bei den Darstellern um alterslos wirkende männliche Wesen bekleidet mit einer Art schwarzem Tanga handelt.

Bewegungsmäßig bleibt der Choreograf Karel Vanek bei fernöstlich beeinflussten Bewegungsmustern, die man auch dem Verständnis zuliebe mit Butoh oder mit Yoga vergleichen könnte, von dem sich die große Martha Graham lenken ließ zu einer ganz eigenen und inzwischen leider sehr vernachlässigten Technik der Moderne des vergangenen Jahrhunderts. Wenn die drei Tänzer sich dann endlich auf die Füße stellen, bewegen sie sich allerdings vor- und rückwärts in einer Art Taschenmesserstellung in zusammengeklapptem Zustand, die Hände manchmal auch unter die Zehen geklemmt.

Mehr oder weniger durchgängig führend und technisch der Beste, obwohl der Jüngste, ist der Tänzer Tobias Weikamp – ohne seine Konkurrenten, wenn man das hinein fantasieren will, bewusst auf die Plätze zu verweisen. Die verknotete Choreografie verpflichtet ihn dazu. Guido Preuss hat in diesem Stück die Chance sich als gleichwertiger Partner zu präsentieren, alterslos neben dem Choreografen, der sich selbst nichts erspart, aber zurückhält, was die kleine Besetzung neben besagtem Tobias aufwertet. Sie bilden ein dreiblättriges Kleeblatt, das trotzdem ein Glücksfall für alle Beteiligten ist.

Das Publikum war erschrocken, als das rot begründete Licht plötzlich sehr viel heller wurde, und es begann zu applaudieren, als die drei – jetzt offensichtlich aufrecht erstmalig als Homo sapiens – auf das Publikum zugingen. Aber wir sind noch nicht am Ende, sondern die drei überraschen uns noch, was allerdings unbenannt bleiben soll für die, die diese „Schöpfungsgschichte“ noch anschauen wollen.

Bei dem schönen Wetter, das zur Zeit herrscht, waren die Vorstellungen leider nicht ausverkauft, aber vielleicht ist das die Chance für die Tanzfaktur in Köln, wo die Drei nächstes Wochenende mit „Aurora‘s Red Line“ gastieren werden. Am Samstag um 20 Uhr und Sonntag 2. Juli schon um 18 Uhr. In Mannheim, wo Tobias zu Hause ist, wird die eindrucksvolle Morgenröte später auch zu sehen sein (wahrscheinlich wird dann das echte Naturschauspiel aber schon eine Stunde später beginnen).

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