„Der Riss“ von Karel Vanek. Tanz: Dwayne Holliday

„Der Riss“ von Karel Vanek. Tanz: Dwayne Holliday

Viele körperliche Annahmen oder der lange Weg zum aufrechten Stand

„Der Riss“ von Karel Vanek in der Brotfabrik Bonn

Vanek fragt: Angenommen Sie sehen einen Riss in einer Kaffeetasse – was tun Sie? Wegschmeißen oder abwarten bis die Tasse zerbricht? Angenommen die Tasse ist schon zerbrochen – was tun Sie? Angenommen die Gesellschaft wäre ein Kaffeebecher – was tun Sie?

Bonn, 25/01/2019

von Gregor West

Drei unbekleidete Kerle liegen auf dem Rücken mit dem Kopf zum Publikum, die Scheinwerfer kommen von beiden Seiten auf die schwarze Bühne mit musikalischen Geräuschen, die rissig sind wie der Titel des Abends. Langsam fängt man doch an sich sehr sparsam zu bewegen. Der Brustkorb der Männer hebt und senkt sich, die Finger versuchen, ob sie etwas erreichen können, und sei es die Seite des eigenen Körpers. Das dauert. Und schließlich rollen diese schwerfälligen Körper, so lange, bis sie in einer Reihe Kopf an Fuß den Versuch einer Choreografie beenden.

Sind diese Wesen unsere Vorfahren lange vor dem Neandertaler? Oder stellen sie noch Amphibien dar, geht mir durch den Kopf, aber dann löst sich ein Geschöpf (Dwayne Holliday) aus der Reihe und führt uns den verzweifelten Versuch vor, Beine und Füße dazu zu benutzen aufzustehen, wie wir es von unseren Müttern erlernt haben. Es gelingt in diesem Solo, einem Meisterstück an Einfällen, an Verknäulungen wieder auf den Knien, dem Rücken oder schließlich der Vorderseite zu enden.

Alle drei Männer, die übrigens nur einen schwarzen Slip anhaben, rollen schwerfällig in gegenseitige Nähe, versuchen wie Magnete zueinander zu kommen, aber es will nicht gelingen. Später glückt eine ähnliche Szene, aber körperlicher, jedoch ohne dass auch nur der Hauch eines erotischen Versuchs dabei wäre. Es scheint, dass diese Köper andere Probleme haben, auch wenn inzwischen gelungen ist, aufrecht zu stehen, was zu einem Solo (Guido Preuß) führt, dessen Zittern endlich so etwas wie Zufriedenheit über die Rampe kommen lässt.

Karel Vanek, der Schöpfer dieses außergewöhnlichen Stücks, hat natürlich ebenfalls ein großes Solo, das darin endet, dass dieser nicht mehr blutjunge Mann sich in gutaussehenden Body-Building-Posen versucht, was endlich auch zum Schmunzeln einlädt. Aber wie könnte es anders sein, es endet in der harten Gegenwart, auch wieder am Boden.

Ein letztes großes Solo für Dwayne Holliday versichert mir, dass die drei eher geschlechtslos wirkenden Wesen doch auf dem Weg sind, sich nicht nur choreografisch weiterzuentwickeln. Dazu würden sie aber, wie schon in der Bibel notiert ist, weibliche Ergänzungen benötigen und Karel Vanek wird sich vielleicht auch daran erinnern, dass es dadurch bunter werden könnte auf seiner schwarzen Bühne mit allerdings sensationeller Beleuchtung von Markus Becker.

Alles in allem ist „Der Riss“ von Tanzwerke Vanek Preuß ein Abend, der sehr gut beim Bonner Publikum ankommt und so sind die weiteren Vorstellungen natürlich gut verkauft.
 

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