"HYDRAOS" der editta braun company aus Salzburg

Körpertheater

HYDRAOS der editta braun company aus Salzburg im Stadttheater Gießen

Ohne aufrechte Haltung, weitgehend bodennah und dem Publikum die Rückansicht zeigend, formen sich Körperteile zu neuen Wesen. Organisch miteinander verschlungen sind sie oft nicht mehr zuzuordnen. Eine lyrische Phantasie über die Evolutionsgeschichte.

Gießen, 23/01/2024

Bereits im letzten Sommer war eine Choreografie von Editta Braun für und mit der Gießener Tänzerin Maja Mirek zu erleben, im Zusammenhang mit Film „Luvos-Migration“, der von Wesen erzählt, die eine von Menschen dominierte Welt durchwandern. Der Film war unter Corona-Bedingungen entstanden und zeigt ungewöhnliche Körperansichten und -bewegungen, die Editta Braun im Laufe vieler Jahre entwickelt hat – wie etwa etwa nackte Körper am Strand, die wie Krabben seitwärts laufen oder sich öffnende Blüten formen. Am Stadttheater Gießen war nun am Wochenende die Editta Braun Company aus Salzburg mit dem Stück „Hydráos“ im Rahmen eines Austauschprojekts mit dem Gießener Ensemble unter Leitung von Constantin Hochkeppl zu Gast.

Die 1989 gegründete editta braun company gehört zu Österreichs wichtigsten freien Kompanien. Sie ging aus dem von Editta Braun und Beda Percht 1982 gegründeten Kollektiv „Vorgänge“ hervor, das eine neue Form des Bewegungstheaters („Lufus“, 1985) entwickelte. Der Name der „Luvos“-Reihe leitet sich von „Luvos Heilerde“ ab, denn anfangs arbeitete man mit Erde als Naturmaterial, die irgendwann von farbigen Schaumstoffwürfelchen ersetzt wurde.

Im Februar 2019 kehrte Editta Braun mit drei Tänzerinnen zurück nach Fanghoumé, dem Dorf im Senegal, wo vor mehr als 30 Jahren auf Einladung von Germaine Acogny, der Grande Dame des Afrikanischen Tanzes, das Körpertheater „Lufus“ enstanden war. Die immer weiter entwickelten LUVOSmoves hat Editta Braun markenrechtlich schützen lassen, sie lehrt ihren Stil an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz. Das „Luvos“-Ensemble mit seinem spezifischen Bewegungsansatz tourt weltweit.

Ohne aufrechte Haltung, weitestgehend bodennah und dem Publikum die Rückansicht zeigend, formen sich in „Hydráos“ Körperteile zu neuen Wesen. Organisch miteinander verschlungen sind sie oft nicht mehr zuzuordnen. Die Bewegungen der drei Tänzerinnen live auf der Bühne zu sehen, hat noch mal eine andere Qualität gegenüber dem Film und bannt das Publikum war von Anfang bis Ende mit seiner fantastischen und friedvollen Welt. Das Zeitempfinden dieser Unterwasserfantasie in Grün und Blau wird zugleich unendlich gedehnt und ist dann mit knapp 50 Minuten doch zu kurz.

Ohne dass groß darauf hingewiesen wurde, war es eine Art Premiere in Gießen, denn die Tänzerinnen waren im Gegensatz zur Uraufführung bis auf ein String-Tanga nackt. Die ersten Aufführungen von „Hydraios“ fanden in afrikanischen Staaten (Senegal, Ägypten) statt, wo nackte Haut nicht gezeigt werden darf. Dort trugen die Tänzerinnen daher schimmernde Ganzkörperanzüge. „Ich nenne das die oriental und die occidental version“, sagt Editta Braun und lacht. „Es geht nicht um Sex, es geht um das Leben an sich. Und um die Liebe zur Natur, die wir alle in uns haben.“ 

Wichtig ist für den Gesamteindruck dieser kreatürlichen Welt, dass weder Gesicht noch Haare zu sehen sind, die unter einer hautfarbenen Haube versteckt sind. Die Brüste der Tänzerinnen werden durch verschränkte Arme oder entsprechende Körperhaltungen verdeckt. Dadurch ist der weibliche Körper fast nicht identifizierbar, es sind primär Füße und Hände, Hautflächen und die darunterliegenden Knochen und Muskeln zu sehen. Alles führt ein geheimnisvolles Eigenleben.

Die Lichtregie (Thomas Hinterberger) belässt alles im Halbdunkel und hat ihren Anteil am bildnerischen Fabulieren. Durch Wassergeräusche wie Gurgeln und Plätschern entsteht akustisch der Eindruck einer Unterwasserwelt, zudem gedämpft klingende Töne (Kompostion: Thierry Zaboitzeff). Blaue Schaumstoffteilchen, die den Boden teilweise bedecken, auch geschoben und geworfen werden, simulieren den optischen Wassereindruck. Die Bewegungen wie Gleiten, Wedeln und Zucken wirken wie vom Wasser bewegt. Es tanzte in Gießen ein relativ neues und junges Team: Sonia Borkowicz, Wen-Ten Choi-Buttinger, Simona Štangová. Hoffentlich noch an vielen Orten der Welt!

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