„Maybe the society is our stage“
Philipp Gehmachers Performance „The Things of the World (for Rose)“ im Museum der Moderne Salzburg
Von Ronja N. Althier
Philipp Gehmachers Performance in der Ausstellung „Begin Suddenly in Splendour. ROSE ENGLISH: Performance, Presence, Spectacle“ im Museum der Moderne Salzburg bringt das Publikum in eine spannende Nähe zu Kunstobjekten im Museum, die mit jeder Bewegung ihre Distanz infrage stellt. Gehmacher betritt die Bühne der Ausstellung nicht mit großen Gesten, sondern beinahe beiläufig, fast so, als sei er ein weiterer Besucher in diesem Raum. Das Publikum, noch unsicher, ob die Performance bereits begonnen hat, findet sich plötzlich selbst inmitten des Geschehens wieder – und wird Teil einer Inszenierung ohne klassische Bühnensituation.
Der österreichische Choreograf führt in seiner einstündigen Performance das Publikum durch die mit allerlei Fotografien, Videoprojektionen, großformatigen Wandbildern und prachtvoll-ironischen Objekten kuratierten Räume und lässt es auf besondere Weise an den interdisziplinären Werken der britischen Künstlerin Rose English teilhaben. Diese bewegen sich zwischen Tanz, Zirkus, Varieté und Oper im Spannungsfeld feministischer Diskurse der 1970er Jahre.
Begleitet von sanften Klavierklängen, beginnt Gehmacher ihre Werke – mit denen er sich erstmals für den steirischen herbst 2016 intensiv auseinandergesetzt hatte – zu besprechen: mal mit Worten kommentierend, mal durch seine Bewegungen kanalisierend. Er erzählt etwa von ihrer Arbeit „Berlin“ (1976), fragt „Hast du Berlin gefunden?“, und während er spricht, legt er Stück für Stück seine Alltagskleidung ab, als ob er sich schrittweise von der Außenwelt lösen und tiefer in die Gedankenwelt der Künstlerin eintauchen würde und zugleich immer auch seine eigene Geschichte miteinflechtend.
Subtile Interaktion mit dem Publikum
Das Publikum verfolgt seine Bewegungen, nimmt die Veränderungen in seinem Ausdruck wahr, und spürt, wie es selbst in diese feinsinnigen Interpretationen hineingezogen wird.
Besonders eindringlich ist auch Gehmachers subtile Interaktion mit den Zuschauerinnen und Zuschauern. Auf allen Vieren kriecht er durch einen Raum voller Magazin-Cover und kleiner Pferdestatuen, zitiert Englishs „Quadrille“ (1975), ahmt mit seiner Jacke als Schweif tierische Bewegungen nach, und zwingt das Publikum, ihm auszuweichen und Platz zu schaffen. Ein Zitat auf die Beschäftigung Rose Englishs mit dem Verhältnis von Ballett und Dressur. Dabei entsteht ein Raum der Unsicherheit: Darf man so nah an den Performer herankommen? Oder soll man doch eher Abstand halten? Eine Besucherin wagt es schließlich, mitten in den Raum zu treten, stellt sich direkt in seinen Weg – ein Akt, der ihn sichtlich herausfordert und das Publikum unweigerlich in seine performativen Handlungen miteinbindet. Dieser Moment ist eine kraftvolle Erinnerung daran, wie unvorhersehbar und durchlässig die Grenze zwischen Kunst und Alltag in dieser Performance wird.
Anfang und Ende fallen zusammen
Gehmacher steigert die Intensität, indem er in weiteren Räumen zu energiegeladenen, beat-lastigen Klängen performt, sich Englishs Bewegungen aneignet und sie weiterspinnt. Das Publikum bewegt sich mit ihm, folgt seinen Gesten und Stimmungen. So plötzlich wie die Performance begann, endet sie auch – Gehmacher lässt das Publikum in einem schummrigen Raum zwischen Kaffeehausstühlen und voller Filmprojektionen von Rose English zurück. Er verschwindet, als hätte er nur den Raum gewechselt. Doch statt ihn in einem neuen Raum wiederzufinden, tritt das Publikum durch einen silbrig glänzenden Vorhang zurück in den Vorraum. Anfang und Ende der Performance fallen zusammen, eine neue Tiefe und Nähe zur Ausstellung und den als kleine Kostbarkeiten wahrgenommenen Arbeiten von Rose English ist hergestellt.
Diese Performance ist mehr als eine Hommage an Rose English. Denn Gehmacher inszeniert nicht nur ihre Kunst, sondern schafft eine Erfahrung, die das Publikum selbst als Teil des Spektakels sieht und in der intimen Nähe durch seinen eigenen Körper den Wert ihrer bedeutungsvollen Arbeiten aus einer zeitgenössischen Perspektive offenlegt. „Maybe the society is our stage“ – so zitiert Philipp Gehmacher anfangs Rose English. Mit seiner Performance mit der Gesellschaft als Bühne ehrt er English auf die wohl angebrachteste Weise: Inmitten von Menschen, ohne Distanz, ohne Berührungsängste – und in der tänzerischen Auseinandersetzung mit Fragen der eigenen Wahrnehmung und Präsenz spielend.
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