"With these hands" von Jacopo Godani mit dem Ensemble Modern; David Leonidas Thiel, Zoe Lenzi Allaria, Eva Böcker (Violoncello) & Saar Berger (Horn)

"With these hands" von Jacopo Godani mit dem Ensemble Modern. Performance: David Leonidas Thiel, Zoe Lenzi Allaria, Eva Böcker (Violoncello) & Saar Berger (Horn)

Zwitterwesen im Zwielicht

Die Tänzer*innen der Dresden Frankfurt Dance Company umgarnen im Festspielhaus Hellerau die Musiker*innen des Ensemble Modern

"With these hands" von Jacopo Godani lebt von Improvisation. Choreografisch entsteht so eine neue Bewegungssprache, thematisch bleibt Godani seinem Thema des Animalischen jedoch treu.

Dresden/Hellerau, 10/07/2021

Bereits im Vorfeld konnte man die Genese der neuen Arbeit der Dresden Frankfurt Dance Company in einem Videoclip verfolgen. In diesem erzählt der Künstlerische Leiter Jacopo Godani davon, wie seine Entwürfe der exzentrischen Kopfbedeckungen für die Tänzer*innen entstanden sind. Den kompletten Kopf bedecken sie, wie auch das Gesicht; ihre enormen Ausmaße lassen bereits eins wissen: Große Sprünge sind damit nicht drin. Die gewohnt exaltierte choreografische Handschrift Godanis kann hier nicht greifen. Konsequenterweise hat er sich zurückgenommen und überlässt in doppelter Hinsicht seiner Kompanie den Tanzboden. Es ist ein Abend, der ausschließlich von Improvisation lebt. In der Performance genau wie musikalisch. Der Titel, "With these Hands", bleibt bis zum Schluss enigmatisch.

Die Live-Improvisationen des Ensemble Modern sind hier allerdings alles andere als rein illustratives Beiwerk. Die fünf Musiker*innen sind zentral auf der Bühne platziert, ergänzt durch den norwegischen DJ Jan Bang, der die Klänge aufgreift und elektronisch interpretierend zurückspielt. So gesehen reagieren die Tänzerinnen und Tänzer auf die im Vordergrund stehende Klanglandschaft. Dieses Reagieren baut über die Dauer einer Stunde eine sinnliche, sensible und, von seiten der Tänzer*innen, auffällig zurückhaltende Kommunikation auf. So stumm die Performance verläuft, so beredt gerät die Instrumentierung. Es sind rätselhafte Klänge, teilweise wirken sie wie tierische Laute. Genau das ist das verbindende Element. Es ließe sich trefflich argumentieren, ob die Performance eher animalische Wesen zeigt, das ewige thematische Reich Godanis, oder ob es sich doch um (Inter-)Aktionen menschlicher oder zumindest eher menschlicher Geschöpfe handelt.

Zwitterwesen sind es allemal. Die Kopfbedeckungen öffnen einen weiten Assoziationsraum zwischen Tieren, Fabelwesen, Pflanzen und Steinen. Es sind gleichzeitig natürliche, organische Formen wie auch Fantasiegebilde. Und diese Köpfe sitzen eben auf menschlichen Körpern. Diese wiederum sind durch reduzierte, hautfarbene Kostüme in ihrer Individualität auf den Ausdruck der Maske beschränkt. Geschlechter sind als solche nicht wahrnehmbar. Dieser Effekt wird durch ein äußerst schlichtes Lichtkonzept gefördert. Während die Musiker*innen deutlich ausgeleuchtet sind, erscheint der Rest des Saals, der hier nicht abgehangen ist, in einem fahlen Licht, das direkt von oben kommt. Die hellen Wände sorgen für eine entsprechend diffuse Atmosphäre, in der alles und jede*r undeutlich, vage bleibt. Das lässt viel Raum für subjektive Assoziationen, besonders auch durch die für diese Kompanie stark gedrosselte Geschwindigkeit in den Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer. Das Grazile ihrer Bewegungen verleiht ihnen eine grundlegende Würde, die das Rätselhafte noch steigert. Und diese Würde, vielleicht trifft man die im Tierreich noch eher an als in menschlichen Gesellschaften.

 

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