Ein paar Stuttgarter Nachgedanken zu Münchens „Dance 2002“

oe
Stuttgart, 02/11/2002

Nicht ohne Neid blickt man in diesen Tagen als Stuttgarter nach München, wo sich bei „Dance 2002“ die Kompanien und die Performer gegenseitig die Türklinke in die Hand geben. Hatten wir das nicht auch einmal in Stuttgart? Ach ja, aber das ist schon so lange her, dass ich mich nicht einmal mehr an den Namen des Unternehmens erinnern kann, für das uns Johannes Odenthal zwang, Abend für Abend zwischen den Veranstaltungsstätten hin und her zu pendeln. Richtig nostalgisch kann einem werden, denken wir etwa an die diversen Stuttgarter Tanzbiennalen zurück.

Und heute? Können wir uns nicht glücklich schätzen, eine der besten deutschen Ballettkompanien zu haben, deren tänzerische Vitalität uns in fast jeder Vorstellung elektrisiert? Überrascht uns nicht Kirsten Kurz im Rotebühl-Forum in jedem Monat mit einer von ihr neu entdeckten tänzerischen Gruppe oder Einzelperformance? Lädt uns das Theaterhaus nicht regelmäßig zu den Produktionen von und mit Marcia Haydée und Ismael Ivo ein? Macht nicht auch Marco Santi, allen Widrigkeiten tapfer trotzend, immer mal wieder auf sich aufmerksam? Sind die Noverre-Matineen nicht noch immer einer unserer ersten Plattformen für den choreografischen Nachwuchs? Und die Galaabende der Birgit-Keil-Stiftung?

Und pilgern wir nicht immer wieder ins nahe Ludwigsburg – während der Saison zu Christoph Peichls ehrgeizigen Abonnementofferten mit den interessantesten Kompanien aus aller Welt und dann in den Sommermonaten zu den Tanzveranstaltungen der Schlossfestspiele? Und dann gibt es ja auch noch Fellbach und Sindelfingen und Böblingen, sozusagen Stuttgarts Vororte, mit ihren eigenen Kulturprogrammen, die ja auch hin und wieder die eine oder andere Kompanie präsentieren. Nein, beklagen können wir uns eigentlich nicht! Es ist schon beachtlich, was wir so alles im Laufe eines Jahres zu sehen bekommen – und besonders wenn man das nahegelegene Karlsruhe, Baden-Baden, Ulm, Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen einbezieht.

Und doch fehlt es an einer Bündelung der vielfältigen, über zwölf Monate verstreuten Synergien – wo sich zehn Tage oder zwei Wochen lang Abend für Abend die ganze Tanz-Mafia der Region trifft – so, wie das derzeit in München bei „Dance 2002“ der Fall ist, oder bei Kampnagel in Hamburg, oder bei Tanz im August in Berlin. Immer mal wieder stattfindende Ballettwochen der residenten Kompanien etwa in Stuttgart, München oder Hamburg sind ja ganz schön und gut, doch die gemischten Angebote ziehen eben eine viel buntere Klientel an und gerade auch diejenigen, die um die Ballettabende in den repräsentativen Häusern, aus welchen Gründen auch immer, einen großen Bogen machen.

Auch wenn die Forderung in den Zeiten der leeren Kassen und Sparsamkeitsappelle illusorisch klingt: schön wäre es schon, wenn sich Stuttgart erneut zum Versuch der Etablierung eines eigenen Tanzfestivals entschließen könnte!

Kommentare

Noch keine Beiträge