Ist München eine Ballettstadt?

Über die Presseberichterstattung in der Bayernmetropole

oe
Stuttgart, 29/05/2002

Was macht eine Stadt zu einer Ballettstadt? Wie ich meine, ist dazu eine Top-Kompanie nötig. Zweitens gehört dazu ein Publikum, das diese Kompanie liebt und sich mit ihr identifiziert. Drittens bilde ich mir ein, dass dazu auch eine breite Presseberichterstattung unabdingbar ist, die nicht nur am örtlichen Geschehen intensiven Anteil nimmt, sondern darüber hinaus auch die internationalen Aktivitäten im Blick behält (kein Wunder, denn ich rechne mich selbst zu den Vertretern dieser dritten Kategorie). Darüber lohnt sich durchaus einmal nachzudenken.

Ist, so gesehen, Berlin eine Ballettstadt? Sind es, auf der Nordsüdschiene, Hamburg, Hannover, Frankfurt oder Stuttgart (Leipzig und Dresden sind ja auf dieser Schiene ohnehin schwer unterzubringen)? Das mag jeder für sich entscheiden. Ich würde meine Hand nicht mal länger ohne weiteres für Stuttgart ins Feuer legen – auf das die beiden ersten Voraussetzungen zweifellos hundertprozentig zutreffen, während in der dritten zunehmend alarmierende Informationsrückstände zu beobachten sind.

Und München? Dort gab es vorgestern die Abschiedsvorstellungen von Pankova und Tewsley. Immerhin hätte ein solcher „Event“ – wie man das heute ja so schön nennt, wenngleich mir die Vermännlichung des deutschen Ereignisses nach wie vor sprachliches Bauchgrimmen verursacht – in Stuttgart bei beiden Lokalzeitungen Priorität gehabt. Für München habe ich heute die beiden lokalen überregionalen Zeitungen und die beiden Boulevardblätter im Internet nach entsprechenden Berichten durchforscht. Vielleicht habe ich ja die eine oder andere Meldung übersehen – vielleicht ist sie ja auch einer denkbaren Online-Auswahl zum Opfer gefallen (stand also nur in der Print-Ausgabe) –, jedenfalls habe ich nichts gefunden. Was mich traurig stimmt – und mir abermals vor Augen führt, wie gering die Ballettarbeit an den dortigen Bühnen von den zuständigen Feuilletonredakteuren eingeschätzt wird.

Meine herzliche Sympathie also den Ballettleuten in der schönen Bayernmetropole, die mit durchaus international bestätigtem Erfolg gegen das lokale publizistische Desinteresse ankämpfen, das Publikum dabei durchaus auf ihrer Seite haben, gleichwohl sich von denjenigen, die ihre zähe Arbeit doch nach Kräften unterstützen sollten, so schmählich im Stich gelassen sehen!

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