„Magyar Triptychon“ von Alexander Schneider-Rossny in Györ

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Stuttgart, 22/12/2002

Györ, früher Raab genannt, Ungarns zweitgrößte Stadt, auf halbem Weg zwischen Wien und Budapest gelegen, verfügt über eine moderne Ballettkompanie, die sich, 1979 von Iván Marko gegründet und heute von Janos Kiss geleitet, durch ihre Tourneen (zuletzt 2001 auch in Deutschland) einen beachtlichen Ruf erworben hat. Jetzt hat Alexander Schneider-Rossny, in Stuttgart lebender Choreograf, ehemals Ballettchef im rumänischen Klausenburg, dort einen Ballettabend herausgebracht, der als „Magyar Triptychon“ drei ungarische Komponisten vereint; Béla Bartók (Konzert für Orchester,) György Kurtag (mit dem Liederzyklus „Die Botschaften des verstorbenen Fräulein R. W. Trusowa“ nach russischen Gedichten) und György Ligeti (Konzert für Klavier und Orchester).

Das sind drei Schlüsselwerke der modernen ungarischen Musik, mithin ein außerordentlich anspruchsvolles Programm, das in Györ, vertrauenswürdigen Berichten zufolge, ein begeistertes Echo hervorgerufen hat. Eine Video-Dokumentation dieses Abends, die Schneider-Rossny in Stuttgart einem kleinen Kreis Interessierter vorgeführt hat, vermittelt bei allen Abstrichen, die sich notwendig bei der medialen Transformation des Bühnengeschehens in das flache Bildschirmformat ergeben, durchaus einen Eindruck von der Intelligenz der Programmzusammenstellung und ihrer choreografischen Realisierung.

Dazu tragen auch die aus der Musik abgeleitete Raumgestaltung mit ihren Video-Varianten und die nicht zuletzt farblich sehr differenzierten Kostümentwürfe bei, für die der Choreograf ebenfalls verantwortlich zeichnet. Immer der Musik verpflichtet, und zwar sowohl ihren Inhalten wie auch ihrer sehr unterschiedlichen Struktur, ergeben sich so drei Ballette, deren jedes seine eigene Identität besitzt, so dass man sehr wohl meinen könnte, sie stammten von drei verschiedenen Choreografen.

Nimmt das Bartók-Ballett Bezug auf die letzten Lebensjahre des Komponisten in Amerika, seine Vereinsamung, seine äußerst dürftigen Lebensumstände und seine Krankheit zum Tode, immer wieder durchzuckt von Erinnerungsblitzen seiner europäischen Vergangenheit, so entwirft das Kurtág-Ballett die Phantasmagorie eines Erotikons, in dem eine tödlich von der Liebe verwundete Frau ihre Frustration und ihre Not herausschreit.

Dagegen spielt das rein konzertant konzipierte Ligeti-Ballett mit den mathematisch-geometrischen Mustern, die der Komponist seiner polymetrischen Partitur zugrunde gelegt hat. So addieren sich die Ballette in der Tat zu einem Triptychon dreier verschiedener Perspektiven ungarischer Komponisten und ihrer Auseinandersetzung mit der Musik ihres Jahrhunderts zu einer Thematik, der sich bisher noch kein ungarischer Choreograf, kein Harangozó, kein Milloss, kein Seregi und kein Imre Eck gestellt hat.

Die Ungarn, durchweg aus der Ballettakademie in Györ hervorgegangen (es scheint da so etwas wie eine freundschaftliche Rivalität zwischen Budapest und Györ zu bestehen), haben sich mit ihrem sprichwörtlichen Tanztemperament in diese Choreografien gestürzt. Sie tanzen sie, dass man den Eindruck gewinnt, hier hat ein Gast ihnen neue Möglichkeiten erschlossen. Durchaus exportverdächtig!

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