Peter Konwitschny inszeniert Richard Wagners „Meistersinger von Nürnberg“

oe
Hamburg, 13/11/2002

Bei der Verabschiedung von Gerhard Brunner als Intendant der Grazer Bühnen im Vorjahr hatte Peter Konwitschny, Deutschlands Opernregisseur Nummer eins, angekündigt (gedroht?), dass, wenn Brunner nunmehr Ballettintendant in Berlin würde, ihm wohl nichts Anderes übrigbliebe als das Fach zu wechseln und Choreograf zu werden. So schlimm wird‘s ja nun wohl nicht kommen! Brunners Berlin-Vertrag läuft allem Anschein nach Ende des Jahres aus (sehr zur Erleichterung vieler Berliner Ballettleute) – Berlin kultiviert weiterhin sein Ballett-Chaos und Konwitschny bleibt Opernregisseur.

What a pity! Denn seine jüngste Inszenierung, Richard Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ an der Hamburger Staatsoper, lässt ahnen, was dem Ballett verlorengegangen ist, wenn Konwitschny Hans Sachsens Wort befolgt und als Schuster bei seinen Opernregie-Leisten bleibt. Nicht etwa, dass Konwitschny die „Meistersinger“ verballettisiert hat – ganz und gar nicht. Er hat sogar die wenigen tänzerischen Momente, die die Oper bietet – die übermütigen Lehrbuben um David im ersten Akt und dann ihr Tanz mit den Mädeln von Fürth auf der Festwiese – weitgehend ignoriert. Die Versuchung, einzelne Szenen choreografisch zu stilisieren, ist ja durchaus vorhanden, und ich erinnere mich gut an eine Inszenierung, in der Harald Kreutzberg allein den Tanz der Lehrbuben auf der Festwiese bestritt.

Gleichwohl: Konwitschny hat die einzelnen Szenen und einzelne der Charaktere (nicht bei allen ist es ihm in gleicher Weise gelungen) so durchmodelliert, dass man versucht ist, von einem Durchchoreografieren zu sprechen – besonders in den Massenszenen – ich denke dabei mehr an die Prügelfuge als an das große Tohuwabohu auf der Festwiese – und an die Charaktere von David und Beckmesser. Was er mit Beckmesser anstellt, in dessen langer Szene, wenn er sich in Sachsens Schusterstube allein wähnt und das dort herumliegende Preislied stibitzt, ist eine Charakterpantomime allererster Güte – und so musikalisch arrangiert, dass man Konwitschny wirklich für einen Choreografen manqué halten könnte. Er sollte einen Meisterkurs für Choreografen veranstalten, die sich anschicken, ein abendfüllendes Handlungsballett zu kreieren!

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern