Stephanie Jordan: „Moving Music“

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Stuttgart, 16/04/2002

Das wichtigste und gründlichste Buch, das sich je mit dem Verhältnis von Tanz und Musik auseinandergesetzt hat, ist bei den Dance Books in London erschienen (378 Seiten, 20 englische Pfund): Stephanie Jordans „Moving Music - Dialogues with Music in Twentieth-Century Ballet“. Es ist kein leichtes Buch, und man kann es nicht in einem Zug durchlesen, Aber es lohnt, sich eingehend mit ihm einzulassen, denn es untersucht und analysiert die prekäre Beziehung, die zwischen der Musik und dem Tanz besteht, es definiert und beschreibt die geheimnisvolle Chemie, die zwischen beiden besteht - mit jeder Menge von Beispielen, die häufig auch als Notentexte und in Labanotation abgedruckt sind. Dabei geht es darum, welche Musik sich überhaupt dazu eignet, getanzt zu werden, welches sind die Möglichkeiten und von welcher Art und Beschaffenheit ist die Bewegung, deren man sich dabei bedient.

Nach eingehenden Studien über die individuellen Verfahrensweisen von Jaques-Dalcroze, Isadora Duncan, Doris Humphrey und Merce Cunningham sowie der Ballettchoreografen Michel Fokine, Vaslav Nijinsky, Léonide Massine, Fjodor Lopuchow und Serge Lifar (102 Seiten), widmet sich die Autorin im zweiten Teil (237 Seiten), drei Choreografen, deren generelle Annäherung an die Musik sie zunächst beschreibt, um dann aus deren Oeuvre einzelne ausgewählte Werke minuziös zu analysieren.

Von George Balanchine „Serenade“, „Agon“ und „Mozartiana“ (mit Seitenblicken auf zahlreiche weitere Stücke des umfangreichen Balanchine-Katalogs). Von Frederick Ashton sodann, bei dem sie eingangs dessen „Musical Choices“ und „Artistic Principles and Working Methods“ ins Visier nimmt, „Symphonic Variations“ und „A Month in the Country“ (auch bei ihm zitiert sie laufend andere Arbeiten von den „Patineurs“ über seine diversen Klassiker-Einstudierungen bis zu seinen „Scenes de ballet“). Und zum dritten dann Antony Tudor (auch bei ihm geht es zunächst um die „Musical Choices“ und die „Artistic Principles and Working Methods“), bei dem sie sich auf seinen „Jardin aux Lilas“ und „The Leaves are Falling“ konzentriert, sich aber auch auf eingehend mit seinen „Dark Elegies“ und „Pillar of Fire“ beschäftigt.

Ich wüsste kein englisches Buch zu nennen, von dem ich mir dringender eine deutsche Übersetzung wünschte. Auch wenn es von Béjart, Forsythe, Wherlock, Godani und anderen Verächtern und Vergewaltigern der Musik mit Nichtachtung gestraft wird, so würde es doch Choreografen wie Neumeier, Spoerli, Scholz und Schläpfer in ihrer Arbeit bestärken.

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